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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Schwiegersöhne gewonnen zu haben wie Edward und Willoughby.
    Colonel Brandons Eingenommenheit für Marianne war |59| schon früh von seinen Freunden entdeckt worden; doch nun, als sie aufhörte, von ihnen beachtet zu werden, nahm Elinor sie zum ersten Mal wahr. Die ganze Aufmerksamkeit der anderen war jetzt auf seinen glücklicheren Rivalen gelenkt, und die Neckereien, die Colonel Brandon auf sich gezogen hatte, noch ehe sie begründet waren, wurden von ihm abgewendet, als seine Gefühle wirklich begannen, den Spott herauszufordern, den allzu große Empfindsamkeit so zu Recht hervorruft. Elinor war, wenn auch ungern, genötigt zu glauben, daß die Gefühle, die ihm Mrs.   Jennings zu ihrer eigenen Befriedigung zugeschrieben hatte, ihre Schwester nun tatsächlich in ihm weckte; und wenn die weitgehende Übereinstimmung der Neigungen zwischen Willoughby und Marianne die Liebe Mr.   Willoughbys auch noch so begünstigen mochte, war doch ein gleichermaßen bemerkenswerter Gegensatz der Charaktere kein Hindernis für die Liebe Colonel Brandons. Sie sah es mit Besorgnis; denn was konnte ein stiller Mann von fünfunddreißig Jahren hoffen gegenüber einem sehr lebhaften von fünfundzwanzig? Und da sie ihm nicht einmal wünschen konnte, Erfolg zu haben, wünschte sie ihm aufrichtig Gleichgültigkeit. Sie mochte ihn, und trotz seiner Gesetztheit und seiner Zurückhaltung weckte er ihr Interesse. Bei allem Ernst lag doch etwas Sanftes in seinem Verhalten; und seine Zurückhaltung schien eher die Folge eines bedrückten Gemütes als einer natürlichen schwermütigen Veranlagung zu sein. Sir John hatte Andeutungen über frühere Kränkungen und Enttäuschungen fallengelassen, die sie in dem Glauben bestätigten, daß er ein unglücklicher Mensch sei, und sie betrachtete ihn mit Achtung und Mitgefühl.
    Vielleicht bedauerte und achtete sie ihn um so mehr, als er von Willoughby und Marianne verächtlich behandelt wurde, die in ihrer Voreingenommenheit gegen ihn, weil er weder lebhaft noch jung war, entschlossen schienen, seine Vorzüge zu unterschätzen.
    »Brandon ist genau die Art Mensch«, sagte Willoughby eines Tages, als sie zusammen über ihn sprachen, »von dem jedermann Gutes sagt und aus dem sich niemand etwas macht; |60| den alle entzückt sind zu sehen und mit dem zu sprechen niemand einfällt.«
    »Genauso denke ich auch von ihm«, rief Marianne.
    »Brüstet euch nur nicht damit«, sagte Elinor, »es ist ungerecht von euch beiden. Er ist hochgeachtet von der ganzen Familie in Barton Park, und ich selbst treffe ihn niemals, ohne mich um eine Unterhaltung mit ihm zu bemühen.«
    »Daß er von Ihnen begünstigt wird«, erwiderte Willoughby, »spricht gewiß für ihn; aber was die Achtung der anderen betrifft, so ist das ein Tadel in sich. Wer würde sich der Demütigung aussetzen, von solchen Frauen wie Lady Middleton und Mrs.   Jennings anerkannt zu werden, was doch die Gleichgültigkeit aller anderen zur Folge haben kann?«
    »Aber vielleicht werden die Beleidigungen solcher Leute wie Sie und Marianne ihn für die Freundschaft von Lady Middleton und ihrer Mutter entschädigen. Wenn deren Lob Tadel ist, so ist euer Tadel vielleicht Lob; denn die beiden sind nicht unkritischer, als ihr voreingenommen und ungerecht seid.«
    »In der Verteidigung deines Schützlings kannst du sogar unverschämt sein.«
    »Mein Schützling, wie du ihn nennst, ist ein verständiger Mensch; und ein klarer Verstand hat immer etwas Anziehendes für mich. Ja, Marianne, selbst bei einem Mann zwischen dreißig und vierzig Jahren. Er hat viel von der Welt gesehen; er ist im Ausland gewesen; er ist belesen, und er ist ein intelligenter, vernünftig denkender Mensch. Ich habe festgestellt, daß er mir viele Informationen über die verschiedensten Dinge geben konnte, und er hat meine Fragen stets mit der freundlichen Bereitwilligkeit eines wohlerzogenen Mannes beantwortet.«
    »Das heißt«, rief Marianne verächtlich, »er hat dir gesagt, daß das Klima in Ostindien heiß ist und die Moskitos lästig sind.«
    »Das
hätte
er mir zweifellos gesagt, wenn ich ihm solche Fragen gestellt hätte; aber das waren zufällig Dinge, die mir schon früher zu Ohren gekommen sind.«
    |61| »Vielleicht«, sagte Willoughby, »sind seine Wahrnehmungen sogar bis zu der Existenz von Nabobs, goldenen Mohren und Palankins gegangen.«
    »Ich wage zu behaupten, daß
seine
Wahrnehmungen sehr viel weiter gegangen sind als
Ihre
Objektivität. Aber warum haben Sie eine

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