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Versteckt wie Anne Frank

Versteckt wie Anne Frank

Titel: Versteckt wie Anne Frank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Prins , Peter Henk Steenhuis
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unfreundlich. Wenn die wohlhabenden Senioren bestohlen wurden, was regelmäßig passierte, wurde ich als Erste verdächtigt. Sofort musste ich ihr den Schlüssel meines Nachtschränkchens aushändigen. Das war für mich eine große Beleidigung.
    Eines schlechten Morgens rief mich die Direktorin schon sehr früh zu sich. In der vorherigen Nacht waren ein paar Patienten aus ihren Betten geholt worden, Juden, wie sich zeigte. Da die Deutschen zurückkommen würden, musste ich verschwinden. Wieder musste ich zur Familie van Moppes flüchten.
    Die Widerstandsorganisationen in Amsterdam stellten im Mai 1944 Kontakt mit Aad Zegers und seiner Schwester Mary ten Have-Zegers aus Rotterdam her. Eine der Frauen, mit denen Mary im Schwimmverein war, brauchte ein Dienstmädchen. Mary sagte, sie kenne jemanden aus Amsterdam, ein anständiges Mädchen. Ich sollte nicht sagen, dass ich eine jüdische Untertaucherin war, deshalb beschlossen wir, ich sei verlobt und wolle ein Jahr als Dienstmädchen arbeiten, um die feinen Kniffe des Haushalts zu erlernen.
    Frau Lindijer nahm mich sofort an. Sie war Witwe, bewohnte das Haus zusammen mit ihrem Sohn, einem Pfarrer. Ich bekam dort ein eigenes Zimmer. Ich verstand mich gut mit meiner Arbeitgeberin, schon bald nahm sie mich mit zum Einkaufen, was ich wegen der Gefahr nicht gerne tat. Dennoch fand ich es wunderbar, kurz draußen zu sein. Auch Freddy kam ein paarmal nach Rotterdam, sodass ich ihnen meinen Verlobten vorstellen konnte.
    Nach zwei guten Monaten sagte Frau Lindijer eines Morgens: »Nancy, wir fahren für vierzehn Tage in Urlaub, und in der Zeit hast du auch frei.« Ich reagierte erfreut, aber in Wirklichkeit hatte ich Angst. Wohin sollte ich nur? Sobald ich allein im Haus war, rief ich Mary an. Auch sie wusste keinen Rat. Sie schlug vor, die beiden Wochen bei ihr zu Hause zu verbringen, aber das war nicht ungefährlich, da Mary und Aad im Untergrund tätig waren.
    Und dann kam dieser warme Abend im August. Ich war schon seit zehn Tagen zu Gast bei Mary und Aad. Die letzten Stunden des Tages verbrachten wir auf der Veranda, wir genossen die Kühle des Abends. Ein paar Stunden nachdem wir schlafen gegangen waren, klingelte es und es wurde an die Tür gehämmert. Wir konnten sie nicht schnell genug öffnen, sie wurde eingetreten. Drei Männer stürmten ins Haus. Ich bekam einen furchtbaren Schrecken und war völlig fassungslos. Alles war umsonst gewesen. Wir wurden verhaftet, konnten nur noch rasch ein paar Besitztümer zusammenklauben. Vor lauter Angst musste ich sehr dringend zur Toilette. Einer der Männer hielt Wache, während ich auf der Toilette saß, und nahm mich danach mit zum Überfallwagen.
    Im Rotterdamer Gefängnis, in das sie uns brachten, saßen insgesamt siebenundzwanzig Juden, die Mary und Aad allesamt untergebracht hatten. Wir mussten also von jemandem verraten worden sein, der die Widerstandsgruppe und somit die Adressen kannte.
    In einem der Transporte zum Verhör saß auch Aad. Schweißgebadet tauschte er ein paar verzweifelte Worte mit seiner Schwester aus. Kurz darauf wurde er standrechtlich erschossen. Mary kam ziemlich schnell frei, man hielt sie für unwichtig.
    Wir bekamen ein Bett mit Strohmatratze, eine Blechschüssel und einen Becher. Mit einer Gruppe Mitgefangener lebten wir in einem Saal; ab und zu betrieben wir Gymnastik. Wir machten auch Lieder.
    Das Essen im Gefängnis war annehmbar, wir durften alle zwei Tage an die frische Luft und die Wärterinnen misshandelten uns nicht. Wir müssen pflegeleichte Gefangene gewesen sein. Über die Zukunft sprachen wir kaum. Solange wir im Gefängnis saßen, war unser Leben nicht gefährdet.
    Trotz allem fand ich es schön, dass ich meinen eigenen Namen wieder tragen konnte. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie schwer es mir gefallen war, den anderen Namen zu benutzen. Bloeme Emden – ich kostete ihn auf der Zungenspitze.
    Eines Tages hörten wir, dass wir das Gefängnis verlassen würden. Wir wurden mit dem Zug nach Westerbork transportiert. Am Eingang des Lagers, hinter hohem Stacheldraht, standen viele Menschen. Die ersten, die ich sah, waren Margot und Anne Frank mit ihren Eltern. Sie schauten, ob Verwandte oder Freunde in unserem Transport waren. Ich kannte Margot und Anne von der Schule. Später waren wir im selben Transport nach Auschwitz. Nach fünfzig Tagen wurden Anne, Margot und ihre Mutter nach Bergen-Belsen geschickt. Ich landete mit fünfzig anderen niederländischen Frauen in Liebau. Eine andere

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