Versteckt wie Anne Frank
Mitgefangene aus Auschwitz ist noch immer meine beste Freundin, sie ist jetzt vierundneunzig.
Nach dem Krieg lief es nicht mehr gut zwischen Freddy und mir – zum großen Kummer vor allem meines künftigen Schwiegervaters. Freddy kontrollierte mich von morgens früh bis abends spät. Wo warst du? Wie spät kommst du nach Hause? Warum gehst du weg? Ich ertrug das nicht. Jahrelang war ich so machtlos gewesen, dass ich mich nie wieder eingesperrt fühlen wollte.
Nummer 17
Jack Eljon,
geboren in Amsterdam am 2. Juni 1937
Ich war noch keine drei, als der Krieg ausbrach. An die Zeit davor erinnere ich mich kaum, außer an die Geborgenheit unserer Familie. Mein Vater hatte eine gute Stelle als Büroangestellter einer Bank und wir wohnten in der Amsterdamer »Rivierenbuurt« im Süden der Stadt. Meine Eltern liebten mich heiß und innig. In den Ferien zelteten wir immer in Nordholland. Ich weiß noch, wie es war, bei meinem Vater auf den Schultern zu sitzen und mit ihm am Strand zu spielen, mit Wasser und mit Bällen.
An dem Tag, an dem der Krieg ausbrach, fuhren wir sofort zu der Familie, bei der wir immer zelteten.
Ich wachte morgens früh auf. Das Wetter war wunderschön und klar, aber überall hörte man das Dröhnen von Flugzeugen. Ängstlich ging ich zu meinen Eltern. »Darf ich zu euch kommen?« Als ich bei ihnen im Bett lag, sagte mein Vater zu meiner Mutter: »Lies, jetzt wird es ernst.« Er wusste, dass die Juden aus Deutschland bereits auf der Flucht waren, und war davon überzeugt, dass auch die niederländischen Juden jetzt in großer Gefahr waren.
Nach dem Aufstehen packte er sofort unsere Sachen. Für mich war der Kriegsausbruch daher ein wenig wie der Anfang der Ferien. Aber dieses Mal zelteten wir nicht, sondern bekamen ein Zimmer im Haus von Tante Trien und Onkel Willem. Sie hatten drei Kinder, einen schon etwas älteren Jungen, ein Mädchen und einen Jungen in meinem Alter, mit dem ich oft spielte.
Anfangs ging mein Vater während der Woche ganz normal seiner Arbeit in Amsterdam nach. Meist kam er abends mit dem Zug zurück, aber wenn es nicht anders ging, schlief er in unserem eigenen Haus in Amsterdam.
Die Nationalsozialisten fingen Ende 1940 an, Bunker in den Dünen zu bauen. Sie dachten, die Engländer würden von der Nordsee aus angreifen. Eines Tages spielte ich im Sand. Als ich kurz aufschaute, sah ich einen deutschen Soldaten, der seinen Gewehrlauf auf mich richtete, als wäre ich ein Tier. In Panik rannte ich zum Haus von Tante Trien, wo ich furchtbar weinen musste.
Immer öfter gingen die Deutschen nun über den Hof oder die Felder, auf denen Onkel Willem Kartoffeln und Gemüse anbaute. Da ich typisch jüdisch aussah, wurde es allmählich zu gefährlich für mich. Ich musste weg.
Ich konnte zu einer Schwester meines Vaters nach Haarlem, zu Tante Greta. Sie war mit einem nichtjüdischen Mann verheiratet. Juden in einer Mischehe wurden nicht zum Transport aufgerufen, und die Deutschen erlaubten ihnen, zu Hause wohnen zu bleiben. Am Tag meiner Abreise ging meine Mutter mit zum Bahnhof. Am Zug musste ich Abschied nehmen; eine andere Frau würde mich nach Haarlem bringen. »Jetzt musst du weg«, sagte meine Mutter, »sonst wird alles nur noch schlimmer.« Sie musste sich zwingen mich loszulassen, umzukehren, wegzugehen. Nicht viel später tauchten meine Eltern ebenfalls unter. Aber an einem anderen Ort als ich.
Bei Tante Greta wurde ich herzlich empfangen. Vor allem ihre älteste Tochter Rietje war ganz versessen auf mich. Oft nahm sie mich mit zu dem Friseursalon, in dem sie arbeitete. Das fand ich großartig. Rietje war siebzehn, zu jung, um selbst Mutter zu sein, aber alt genug, Mutter zu spielen. Ich genoss ihre Zuwendung.
Eines Tages klingelten die Nachbarn. Obwohl meine Tante wusste, dass sie der NSB -Partei angehörten, gingen sie ganz normal miteinander um. »Das jüdische Kind muss hier weg«, sagten sie, »denn morgen werden Hausdurchsuchungen durchgeführt.« Wo sollte ich hin? Keiner wusste etwas. Da sagten die Nachbarn: »Bringt ihn ruhig zu uns.« Weil sie Parteimitglieder waren, würden sie bei einer Hausdurchsuchung sicherlich übersprungen.
In der Nacht zuvor hob Tante Greta mich über den Zaun. Es war ein hoher Zaun und sie musste mich hoch über dem Kopf halten. »Hast du ihn?«, hörte ich sie fragen. »Ja, gib ihm einen kleinen Schubs«, kam es von der anderen Seite. Das tat sie. Ich fiel ein kleines Stück und wurde dann aufgefangen. Die Nachbarn, die
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