Versteckt
raste in mein Apartment zurück. Erst als ich die Tür hinter mir verriegelt hatte, fühlte ich mich sicher. Anfangs zumindest. Was, wenn sie nach mir sehen?, dachte ich. Das würden sie bestimmt. Und ich würde wie ein Feigling dastehen, ganz klar. Dabei lief es mit Jen doch gerade so gut. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Was würde sie jetzt von mir halten?
Weitere Paranoia.
Ich löste dieses Problem, indem ich alle Lichter ausmachte und mich im finsteren Wohnzimmer zusammenkauerte. Niemand zu Hause.
Kurze Zeit später klopfte es an der Tür. Jen und ihre Freundin riefen nach mir, klopften noch mal, lachten verwirrt und gingen nach unten.
Am nächsten Tag erzählte ich ihr, dass ich irgendwie nicht mitbekommen hatte, wie sie in die Seitenstraße abgebogen waren, und eine Stunde lang ganz Boston nach ihnen abgesucht hätte.
Sie lachte. Und – was noch wichtiger war – sie kaufte mir das ab.
Danach rauchten wir eine Menge Dope zusammen, meistens in ihrer Wohnung. Und nach und nach verliebten wir uns mehr oder weniger ineinander.
Ich sage mehr oder weniger , weil ihre große Liebe das Speed war. Das erfuhr ich schon sehr bald.
3. Sie machte mir von Anfang an Angst.
Sie ging ins Badezimmer und kam als anderer Mensch wieder heraus. Auf einmal war sie bestens gelaunt und guter Dinge, obwohl sie nur Augenblicke vorher zu Tode betrübt über das schwierige Verhältnis zu ihrem Vater damals in New Jersey gesprochen hatte, über den Ärger, den sie kriegen würde, wenn ihre Eltern herausbekamen, dass sie das College abgebrochen oder mit ihrem Exfreund Schluss gemacht hatte, und so weiter. Jetzt ging sie so zielstrebig durchs Apartment, als hätte sie nur eine einzige Aufgabe, und das war ausgerechnet Putzen . Sie wischte jede Oberfläche in der Wohnung immer und immer wieder ab, fummelte am Plattenspieler herum und redete über die Songtexte der Beatles oder von Donovan. Sie zog Bücher aus ihrem Regal, um dies oder jenes nachzuschlagen, oder las mir Gedichte von Rilke oder Baudelaire oder Rimbaud vor. Oft ging das die ganze Nacht und bis früh in den Morgen so.
Als sie mir schließlich die Quelle dieser Energie verriet, war ich nicht besonders überrascht. Ich hatte mir auch gelegentlich ein Dexedrin eingeworfen, um eine Seminararbeit fertig zu schreiben, und einmal hatte ich sogar eine Black Beauty versucht. Das Problem war, dass sie das Zeug spritzte . Vor der Nadel hatte ich Angst. Was, wenn sie eine Überdosis nahm? Oder eine kleine Luftblase aus der Spritze in ihrem Hirn explodierte?
Jedes Mal, wenn sie ins Badezimmer ging, hatte ich Angst, sie nie wiederzusehen.
Jedenfalls nicht lebendig.
Um einigermaßen mit ihr mithalten zu können, fing ich an, das Zeug zu schnupfen. Unter der Woche hielt ich mich streng an den Stundenplan, doch am Wochenende schliefen wir überhaupt nicht mehr. Nach zwei durchwachten Tagen und Nächten, in denen wir nichts als Orangensaft für den Vitamin-C-Bedarf zu uns nahmen, war es verdammt hart, wieder runterzukommen.
Letzten Endes konnte ich nicht mit ihr mithalten. Nicht, wenn ich an der Uni bleiben wollte. Diesen Plan hatte sie ja schon lange verworfen.
Genau wie ihre Freunde, die ich nicht leiden konnte und denen ich nicht vertraute. Während ich tapfer die Vorlesungen besuchte, verschwand sie manchmal tagelang mit ihnen, Gott weiß wohin. Vielleicht nach Cambridge oder in irgendeine verlauste Bude in Beacon Hill. Keine Ahnung. Ich wartete tage- und nächtelang vergeblich auf einen Anruf, und irgendwann stand sie wieder vor der Tür. Wir stritten uns. Warfen uns gegenseitig üble Dinge an den Kopf. Ich fand, ich hätte das Recht zu wissen, wo sie war – ja, und auch mit wem sie dort war. Wir liebten uns doch, oder? Also?
Und ständig war da die Angst vor der Nadel. Die Angst, dass ich Jen früher oder später an sie verlieren würde. Unausweichlich.
Es gibt da ein Sprichwort, vielleicht ist es auch ein Zitat von William S. Burroughs: Es gibt alte Junkies, aber keine alten Speed-Freaks.
Das hatte ich oft gehört.
4. In dieser Nacht schliefen wir in meinem Bett. Am nächsten Morgen war sie verschwunden …
Ob wir Sex hatten? Natürlich – aber keinen besonders guten. Speed ist der natürliche Feind des Orgasmus. Oder – wie sie mir einmal sagte – sich Speed zu spritzen ist bereits ein so gewaltiger Orgasmus, dass die herkömmliche Variante damit nicht zu vergleichen ist. Ich liebte ihren Körper – ihren großen Mund, ihre weiche Haut. Ich liebte es, sie in
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