Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)
Pflicht zur Veröffentlichung gibt. Aber es muss möglich bleiben, dass ein Gespräch, das zwei Personen miteinander führen, vertraulich bleibt.
Wie finden Sie jetzt die Hatz amerikanischer Firmen und Politiker auf den WikiLeaks-Gründer Julian Assange?
Unklug. Das wirkt wie Rache, und das ist es auch.
Hatten Sie manchmal das Gefühl, Ihr Bild für die Nachwelt zumindest mitgestalten zu müssen?
Nein, hatte ich nicht. Ich habe ein Archiv, das ist eine gute Einrichtung. Da sind pro Jahr mindestens zwölf verschiedene Leute, die ein Buch oder eine Dissertation schreiben wollen und dann zwei, drei Tage dort herumwühlen. Aber das eigene Bild kann man damit nicht wirklich beeinflussen.
Auch nicht, indem man Dinge verschwinden lässt?
Das müsste man organisieren. Das Auswärtige Amt kann Akten verschwinden lassen. Aber ein Einzelner? Es gibt ja keine Akten, die nur ein Mal da sind. Was nur ein Mal da ist, sind handgeschriebene Privatbriefe. Ich habe neulich gestaunt, weil ich zwei große Kisten gefunden habe, voll mit Privatbriefen von mir an meine Frau. Zum Teil noch aus der Kriegszeit. Meine Frau hatte sie aufgehoben. Ich habe das nicht getan, ich habe keine Briefe von ihr aus dieser Zeit.
Warum nicht?
Weiß ich nicht. Kriegsumstände. Als normaler Mensch bewahrt man doch keine privaten Briefe auf!
Liebesbriefe eigentlich schon.
Ich habe das jedenfalls nicht getan. Hinzu kommt, dass 1943 in Hamburg alles verbrannt ist. Und dass wir später dauernd umgezogen sind, hin und her zwischen Hamburg und Bonn.
Werden Sie die Briefe nun veröffentlichen?
Nein. Die bleiben Privatsache. Ich habe sie erst mal in die Wohnung meiner Tochter geschafft.
22. Dezember 2010
»Mir fehlt die klare, knappe Analyse«
Medienkritik
Lieber Herr Schmidt, über ein Thema schimpfen Sie in unseren Konferenzen besonders gern: Die Medien berichten Ihrer Meinung nach zu wenig über internationale Politik. Aber in Qualitätsblättern wie der FAZ , der Süddeutschen oder der ZEIT dreht sich doch die Hälfte der Artikel um Internationales.
In der ZEIT ist es nicht die Hälfte.
In der Regel schon!
Dann lass uns mal eine ZEIT holen! (nimmt sich die Ausgabe vom 3. Februar vor) Hier ist vorne auf der ersten Seite die Titelgeschichte »Arabien steht auf«, und einer der beiden Leitartikel beschäftigt sich mit Europa …
… sage ich doch: zweimal Internationales auf der Eins. Auf den Seiten zwei bis sieben geht es dann um die Entwicklungen von Tunis bis Amman, wir haben eine Reportage aus Kairo, Reaktionen aus aller Welt, ein Interview mit dem ehemaligen israelischen Botschafter Shimon Stein, unter anderem. Und weiter geht’s: Auf der Acht steht ein Artikel über Berlusconi, auf der Meinungsseite ein Beitrag über westliche Interventionen.
Ist richtig. Vielleicht habt ihr diesmal Glück gehabt. (lacht)
Was vermissen Sie also?
Analyse. Vieles von dem, was in der ZEIT steht, sind auswärtige Reportagen. Was mir fehlt, sind die klare, knappe Analyse und der Überblick! Ich vermisse Analysen in den deutschen Medien insgesamt, wobei ich weiß, dass das Fernsehen dafür wenig geeignet ist. Aber auch in den Qualitätszeitungen, die Sie genannt haben, finde ich bestimmte Themen nicht. Nehmen Sie zum Beispiel die phänomenale Entwicklung in Brasilien – übrigens das einzige Land in Südamerika, das nicht Spanisch spricht! Es spricht Portugiesisch und bleibt dabei. Und setzt sich als ökonomische Weltmacht durch.
Wie informieren Sie sich über das Weltgeschehen?
Ich bekomme den Pressespiegel aus den wichtigsten Hauptstädten, den auch die deutschen Diplomaten bekommen. Daraus könnte ich jeden Tag 30 Zeilen machen: über die Entwicklung in Polen, in Ungarn, in den drei baltischen Republiken, wo die Esten, die jetzt Mitglied von Euroland werden, erstaunlicherweise ihre Wirtschaft in Ordnung bekommen. Journalisten beleuchten das ebenso wenig wie das Verhältnis der Kremlführung zum Rechtsstaat.
Ich bin überrascht, dass Sie noch gar nichts zu China gesagt haben …
Sie haben recht, China liegt mir sehr am Herzen. Vor allem das Verhältnis zwischen China und Indien ist hochinteressant. Gleiches gilt für das Verhältnis dieser beiden Weltmächte zum Afghanistankonflikt. Wie stehen die zentralasiatischen Republiken Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Turkmenistan, Tadschikistan zu Afghanistan? Wie die Türkei und Iran? Das wird in den Medien alles nicht berührt.
Wie würden Sie das Afghanistanthema auf den Punkt bringen?
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