Verstohlene Kuesse
eingesetzt.«
Emma starrte sie entgeistert an. »Wie bitte?«
»Es stimmt, Mr. Stokes ist noch ein bisschen jung. So wie er aussieht, hält er sicher noch viele Jahre durch. Aber natürlich spricht auch einiges dafür, sich einen gesunden Gentleman zu suchen, dessen Manneskraft noch nicht verloren ist.«
»Letty!«
»Ich nehme an, Sie biegen ihn sich schon so hin, dass Sie nicht erst darauf warten müssen, bis er die Radieschen von unten beguckt, ehe Sie sein Vermögen genießen können.«
Emma ballte die Fäuste. »Sie verstehen das Ganze einfach nicht.«
»Und ob ich diese Dinge verstehe, meine Liebe.« Letty zwinkerte wie zuvor die Hausdame. »Auch wenn Ihre Strategie meiner Meinung nach etwas gewagt gewesen ist. Ich persönlich denke, ein Mädchen sollte seine Tugend so lange bewahren, bis es den Ehering am Finger hat. Aber immerhin haben Sie Stokes dazu bewogen, Ihre Verlobung öffentlich bekannt zu geben. Mit ein bisschen Glück sollte das ausreichen.«
Emma schluckte schwer. »Ausreichen?«
»Er ist anders als viele Gentlemen, die sich nichts dabei denken würden, einem Mädchen die Ehe zu versprechen, nur um es herumzukriegen, und die anschließend, wenn die Kleine unpraktisch wird, vergessen, was sie gesagt haben. Stokes hingegen ist bekannt dafür, dass er seine Versprechen hält.«
»Lady Mayfield, ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll, aber -«
»Nun, sicher werden einige es etwas ungewöhnlich finden, dass er ausgerechnet Sie genommen hat. Aber ich glaube, ich verstehe ihn.«
»Ach ja ?«
»Und ob.« Letty bedachte Emma mit einem wissenden Blick. »Stokes ist als Exzentriker bekannt. Es heißt, dass er sich nicht allzu leicht von oberflächlichem Liebreiz und geziertem Benehmen blenden lässt. Es heißt, er verachtete die Mehrzahl der Mitglieder der besseren Gesellschaft aufgrund der unglücklichen Umstände seiner Geburt. Ja, ich kann mir vorstellen, dass er einer Frau den Vorzug gibt, die nicht aus diesen Kreisen stammt.«
Emma empfand eine zunehmende Frustration. Es war ganz sicher hoffnungslos. Nichts, was sie sagen konnte, würde Letty dazu bewegen, sie weiter zu beschäftigen. Die Vorstellung, dass die Verlobte des steinreichen, berüchtigten Edison Stokes unbedingt weiter als Gesellschafterin arbeiten wollte, fanden sicher alle lächerlich.
Es gab nur noch eine Möglichkeit.
»Würde es Ihnen viel ausmachen, mir zumindest eine Referenz zu schreiben, Lady Mayfield ?«, fragte sie und hielt gespannt den Atem an.
Letty kicherte vergnügt. »Machen Sie sich doch nicht lächerlich. Sie brauchen keine Referenzen mehr.« Ihr Lachen verstärkte sich. »Eine Referenz. Stell sich das nur mal einer vor.«
Ich bin verloren . Müde wandte Emma sich zum Gehen.
Eine Stunde später stellte Emma fest, dass der Tag, der bereits so unschön begonnen hatte, tatsächlich noch schlimmer zu werden schien. Edison schickte Polly mit der Nachricht auf ihr Zimmer, dass er mit ihr auszureiten beabsichtige.
»Um Himmels willen, sag ihm, dass ich nicht kommen kann, Polly.«
Frische Panik wallte in ihr auf, denn ihr war klar, dass sie durch ihre Weigerung unter Umständen auch ihren zweiten Job verlor. Wenn Edison herausfände, dass sie nicht länger in Lady Mayfields Diensten stand, käme er sicher zu dem Schluss, dass sie ihm für seine Ermittlungen nicht länger von Nutzen war.
Sie brauchte einfach etwas Zeit. Sie atmete tief ein und suchte nach einer vernünftigen Entschuldigung, mit der sich das Unvermeidbare verschieben ließ.
»Bitte sei doch so nett und informiere Mr. Stokes darüber, dass ich kein Reitkostüm besitze«, bat sie Polly, doch unglücklicher und vielleicht vorhersehbarerweise nützte ihr diese Ausflucht nichts, denn wenige Minuten später kam das Mädchen mit einem eleganten türkisfarbenen Samtkostüm und einem Paar Wildlederstiefel für sie zurück.
Pollys Augen leuchteten vor Aufregung. »Diese Sachen hat Mrs. Gatten gefunden«, verkündete sie stolz. »Sie haben der verstorbenen Lady Ware gehört. Bevor sie krank wurde, hat die gnädige Frau jeden Tag einen langen Ausritt gemacht. Ich glaube, die Sachen müssten halbwegs passen. Sie hatte eine ähnliche Figur wie Sie.«
Emma starrte auf das kostbare Kostüm. Polly hatte, so bemerkte sie, sogar den passenden türkisfarbenen Hut mit kleiner blauer Feder mitgebracht.
In diesem Augenblick kam Letty aus dem Ankleideraum eine Vision in leuchtend gelb mit einem tiefen, viereckigen Ausschnitt, in dem ihr üppiger Busen
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