Verstohlene Kuesse
sollten wirklich langsam auf die Burg zurückkehren, meinen Sie nicht?«
»Da haben Sie ganz sicher Recht. Schließlich habe ich unsere Rückkehr nach London für heute Nachmittag geplant. Wenn wir ohne Pause durchfahren, müssten wir vor Mitternacht dort ankommen.«
Sie sah ihn fragend an. »Sie wollen heute noch nach London zurück? Aber ich dachte, Sie wollten hier auf der Burg noch Nachforschungen anstellen.«
»Wie Sie selbst bereits gesagt haben, werden die meisten Gäste möglichst schnell in die Stadt zurückkehren, um zu erzählen, was hier vorgefallen ist.«
»Und was, wenn Lady Ames nicht zusammen mit den anderen zurück nach London fährt?«
Er lächelte. »Eine innere Stimme sagt mir, dass Miranda Ihnen folgen wird, meine liebe Miss Greyson.«
Sie betrachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen. »Haben Sie schon darüber nachgedacht, wo ich in London wohnen soll, während ich die Rolle Ihrer Verlobten spiele, Sir ?«
»Darüber wollte ich noch mit Ihrer ehemaligen Arbeitgeberin sprechen.«
Sein Lächeln machte einem Grinsen Platz.
»Lady Mayfield?« Emma musterte ihn argwöhnisch. »Was hat denn sie damit zu tun?«
»Ich werde sie darum bitten, mir, indem sie Sie in die Gesellschaft einführt, ein wenig behilflich zu sein.«
In Emma kroch ehrliches Entsetzen hoch. »Oh, nein! Sie haben doch sicher nicht die Absicht, Lady Mayfield zu bitten, mich ... mich -«
»Sie in die sogenannten gehobeneren Kreise einzuführen? Warum denn nicht? Sie ist perfekt für diese Aufgabe. Sie kennt die halbe Welt. Und etwas sagt mir, dass ihr diese Tätigkeit sogar Vergnügen bereiten wird.«
»Ist das alles wirklich unbedingt erforderlich?«
»Das ist es.« Je mehr er darüber nachdachte, umso besser gefiel ihm die Idee. »In der Tat ist es die perfekte Lösung für all unsere Probleme. Auf diese Weise können Sie mir weiter bei meinen Ermittlungen behilflich sein, ohne dass sich irgendjemand etwas dabei denkt.«
Emma schloss kurz die Augen. »Ich wusste, dass Sie ein äußerst schwieriger Arbeitgeber sein würden, Sir.«
»Dafür bezahle ich ja auch sehr gut, Miss Greyson«, erinnerte er sie in freundlichem Ton. »Und wie Sie gerade selbst erwähnt haben, haben Sie zur Zeit sowieso kaum eine Wahl.«
»Trotzdem bietet meine Anstellung bei Ihnen keine allzu große Sicherheit, und aus diesem Grund muss ich wirklich darauf bestehen, dass Sie so bald wie möglich meine Referenz schreiben.«
11. Kapitel
Zwei Stunden später wandte sich Emma von ihrer Reisetasche ab und schlich über die Hintertreppe in die Bibliothek. Zu ihrer Erleichterung war außer ihr niemand im Raum, sodass sie mit dem Stapel Londoner Zeitungen zu ihrem Platz am Fenster ging und nach den neuesten Schiffsmeldungen zu suchen begann. Es dauerte nicht lange, bis sie mit dem gesamten Packen fertig war, denn sie hatte die Fähigkeit entwickelt, selbst die kürzesten Meldungen mit einem Blick zu erkennen.
Zehn Minuten später jedoch musste sie sich ihre Niederlage eingestehen. Immer noch war die Goldene Orchidee nicht von ihrer Fahrt zurückgekehrt.
»Blöde, verfluchte Nuss-Schale.«
Sie faltete die letzte Zeitung zusammen und legte sie ordentlich auf den Stapel zurück. Geistesabwesend blickte sie aus dem Fenster auf das Treiben im Hof, wo zahllose Kutschen und Gespanne für die Fahrt nach London gerüstet wurden. Die meisten Gäste wollten unmittelbar nach einem späten Frühstück abreisen, und die, die noch blieben, machten sich ganz sicher morgen auf den Weg.
Sie sollte wieder nach oben gehen und ihre eigenen Sachen für die Rückreise fertig packen, dachte sie. Sie freute sich nicht im Geringsten auf die Fahrt.
Allerdings gab es keinen konkreten Grund zur Beschwerde, redete sie sich selbst gut zu. Schließlich hatte ihr der Aufenthalt hier auf der Burg nur Ärger eingebracht. Während der letzten beiden Tage war sie gezwungen gewesen, ein widerliches Gebräu zu trinken, hatte die Kündigung von einem durchaus angenehmen Posten bekommen und war nur mit Mühe erst einer Vergewaltigung und dann dem Galgen entkommen. Und schließlich hatten sie dann heute Morgen noch die unangenehme Begegnung mit einem Wilderer gehabt.
Im Vergleich zu den Gefahren des Landlebens käme ihr das Leben in der Stadt sicher angenehm erholsam vor.
Zu den positiven Dingen zählte, dass sie es geschafft hatte, eine neue Anstellung zu finden, die hervorragend bezahlt zu werden versprach. Einen Moment schwelgte sie in Zukunftsplänen. Wenn es ihr gelänge,
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