Verstohlene Kuesse
Kontakt mit seinem Oberschenkel hoffnungslos zerdrückt.
Edison hingegen sah noch ebenso kühl und elegant wie zu Beginn des Abends aus. Jedes seiner Haare war an seinem Platz. Sein Rock sah frisch gebügelt aus und seine Krawatte wies einen ordentlichen Knoten auf. Es war wirklich ungerecht.
Bei der Erinnerung an die erzwungene Nähe in dem Kleiderschrank rann ihr ein eigenartiger Schauder den Rücken hinab. »Zurückhaltung, Sir?«
»Sie müssen ernsthaft versucht gewesen sein, aus dem Schrank zu springen und Crane einen Schürhaken oder ähnliches über den Schädel zu ziehen.«
Errötend wandte sie sich ab. Sie traute seinem rätselhaften Lächeln nicht. Ebenso wenig wie sie wusste, was sein allzu ruhiger Ton bedeutete.
»Da haben Sie Recht, Sir. Ich konnte der Versuchung tatsächlich nur mit Mühe widerstehen.«
»Trotzdem bin ich froh, dass es Ihnen gelungen ist. Andernfalls wären wir beide in eine etwas peinliche Situation geraten, denke ich.«
»Das stimmt.« Sie heftete ihren Blick auf ein paar wild wuchernde Ranken, die im Licht des Mondes aussahen wie eine Horde Schlangen, die sich über den Kiesweg schlängelte. »Sehr peinlich sogar.«
»Miss Greyson, was genau haben Sie in Lady Ames' Schlafzimmer gesucht?«
Sie stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Ist das nicht offensichtlich? Ich habe gehört, wie Crane und Lady Ames die Hintertreppe heraufgekommen sind. Ich wollte ihnen keinesfalls begegnen, also habe ich mich im ersten unverschlossenen Schlafzimmer, das ich finden konnte, vor ihnen versteckt. Zufällig handelte es sich dabei um Lady Ames' Schlafgemach.«
»Ich verstehe.« Er klang nicht ganz überzeugt.
Emma blieb stehen und wirbelte zu ihm herum. »Und wie steht es mit Ihnen, Sir? Würden Sie mir vielleicht ebenfalls freundlicherweise erklären, weshalb Sie sich in dem Schrank versteckt haben ?«
»Ich habe nach etwas gesucht, was Freunden von mir gestohlen worden ist«, kam seine vage Erwiderung. »Ich hatte Informationen, denen zufolge der Gegenstand vielleicht hier auf Ware Castle zu finden ist.«
»Unsinn.« Emma starrte ihn zornig an. »Bilden Sie sich ja nicht ein, Sie könnten mich mit einer derart hanebüchenen Geschichte abspeisen. Lady Ames ist ganz offensichtlich reich wie Krösus. Sie hat also keinen Grund, das Risiko einzugehen und etwas zu stehlen, was sie haben will.«
»Gerade in der besseren Gesellschaft kommt es hin und wieder vor, dass der äußere Schein, den jemand sich gibt, nicht ganz den Tatsachen entspricht. Aber rein zufällig habe ich Lady Ames sowieso nicht in Verdacht.«
»Und was haben Sie dann in ihrem Zimmer gemacht? Wissen Sie, nur wenige Minuten vor unserer Begegnung in dem Schrank habe ich zufällig beobachtet, wie Sie ein Stockwerk tiefer durch ein Fenster geklettert sind.«
Er zog erstaunt die Brauen hoch. »Ach, haben Sie mich dabei beobachtet? Sie sind wirklich eine aufmerksame Person. Ich hätte gedacht, dass niemand etwas davon merkt. Früher war ich in solchen Dingen mal sehr gut. Vielleicht sind meine Fähigkeiten etwas eingerostet.« Plötzlich brach er ab. »Aber egal. Zurück zu meiner Anwesenheit in Lady Ames' Schlafzimmer. Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung. Ich habe versucht, Ihnen aus dem Weg zu gehen.«
»Mir ?«
»Als ich in die obere Etage kam, bemerkte ich jemanden auf dem Balkon am anderen Ende des Korridors. Ich wusste, wer auch immer diese Person war, sie würde mich, wenn sie zurückkommt, auf alle Fälle sehen. Also habe ich mit einem Dietrich eine der Schlafzimmertüren geöffnet und mich in dem Raum versteckt. Ich hatte die Absicht, dort zu warten, bis die Luft wieder rein war, und dann mit meiner Suche fortzufahren.«
»Was für ein hoffnungsloses Durcheinander.« Emma kreuzte die Arme vor der Brust. »Trotzdem nehme ich an, muss ich Ihnen sogar dankbar sein.«
»Und warum das ?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wenn Sie nicht die Tür zu Lady Ames' Schlafzimmer geöffnet hätten, hätte ich nicht hinein gekonnt, und in dem ganzen Flur gab es nirgendwo ein anderes Versteck.«
»Es ist mir immer ein Vergnügen, einer charmanten Dame zu Diensten zu sein.«
»Hmm.« Sie bedachte ihn mit einem Seitenblick. »Ich glaube nicht, dass Sie mir erzählen wollen, was genau Sie heute Abend gesucht haben?«
»Ich fürchte, nicht. Das ist eine persönliche Angelegenheit.«
Darauf wette ich , dachte Emma. Was auch immer Edison Stokes im Schilde führte, eins war klar - er hatte mindestens ebenso viel zu verbergen
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