Verstohlene Kuesse
Ihr Meister ist?«
»Das darf ich nicht verraten.« Die Stimme des Kämpfers bekam einen ehrfürchtigen Ton. »Ich habe geschworen, seinen Namen nicht zu nennen«, fuhr er erklärend fort.
»Ein geheimer Vanzameister? Wie eigenartig. Nun, eins kann ich Ihnen sicher sagen.«
»Und das wäre?«, fragte der junge Mann.
»Er kann kein guter Meister sein. Jeder wahre Vanzameister hätte Sie gelehrt, dass es weder ehrenwert noch mutig ist, einen Menschen wie den Einohrigen Harry in den Fluss zu stoßen.«
»Sie sorgen sich um diesen Kerl?« Die Stimme des jungen Kämpfers verriet Unglauben. »Wie kann das sein? Er nennt sich Freund und doch betrügt er Sie. Er ist Ihres Vertrauens nicht würdig, Oh-Großartiger-der-Sie-hätten-Großmeister-sein-können.«
Unten im Wasser stöhnte Harry leise auf. Es war offen sichtlich, dass er nicht die Kraft hatte, allein zurück an Land zu paddeln.
Edison schob eine Hand in seine Jackentasche und legte die Finger um die Pistole, die er dort verborgen hielt. »Trotzdem, wie Harry Ihnen bereits erläutert hat, kennen wir uns seit einer halben Ewigkeit, so dass ich ihn tatsächlich aus dem Wasser holen muss.«
»Lassen Sie ihn.« Der Vanzaschüler nahm eine Kämpferpose ein und begann, Edison langsam zu umkreisen. »Heute ist die Nacht des ehrenwerten Kampfs.«
Edison zog die Pistole hervor und richtete sie lässig auf den jungen Mann. »Genug von diesem Unsinn. Ich habe heute Abend keine Zeit.«
»Was ist denn das? Eine Pistole ?« Plötzlich blieb der junge Kämpfer stehen. Seine Stimme zitterte vor Empörung, als er verkündete: »Sie würden tatsächlich eine Pistole nehmen? Das gestattet Vanza aber nicht.«
»Nein, aber es ist äußerst effektiv. Einer der Gründe, weshalb ich den Zirkel verlassen habe, ist der, dass es beim Vanza viele höchst unpraktische Regeln gibt.«
»Ich lasse mir meinen Sieg nicht einfach nehmen.«
»Verschwinden Sie oder Sie werden feststellen, dass Sie gegen eine Kugel machtlos sind.«
Der Vanzakämpfer zögerte nicht lange.
»Wir werden einander wiedersehen«, schnaubte er. »Das schwöre ich bei meinem Vanzaeid.«
»Wissen Sie, eines Tages werden Sie es leid sein zu sprechen, als stünden Sie pausenlos auf einer Bühne«, sagte Edison, doch niemand hörte ihm mehr zu.
Der Vanzakämpfer hatte sich geräuschlos aus dem Staub gemacht.
19. Kapitel
Emma war so erleichtert, als der Page mit der Nachricht kam, dass sie sich noch nicht einmal darüber beschwerte, dass Edison nicht persönlich vor ihr stand. Es war nur wichtig, dass ihm anscheinend nichts geschehen war. Endlich war er bei den Smithons aufgetaucht, vor deren Haus er sie in seiner Kutsche erwartete. Die Tatsache, dass es ziemlich rüde war, draußen zu bleiben und seine Verlobte über einen Diener zu sich zu zitieren, war momentan völlig bedeutungslos.
Sie hielt ihren Umhang an ihrem Hals zusammen und eilte die Treppe in Richtung der wartenden Kutsche hinab. Die Innenlampen brannten nicht.
Ein Page öffnete die Tür und half ihr beim Einsteigen. In der Dunkelheit im Inneren des Gefährts war Edison eine düstere, formlose Gestalt.
»Sir, ich habe mir die größten Sorgen gemacht -« Während sie Platz nahm. brach sie ab und schnupperte. »Gütiger Himmel, was ist denn das für ein entsetzlicher Gestank?«
»Ein Parfüm aus Themsewasser.« Edison zog die Vorhänge zu und zündete eine der Lampen an. »Allerdings bezweifle ich, dass es sich durchsetzen wird.«
»Was in aller Welt ist mit Ihnen passiert?« Als das Licht der Laterne aufflackerte, starrte sie ihn entgeistert an.
Zum ersten Mal, seit sie ihn kennen gelernt hatte, wirkte Edison nicht im Geringsten elegant.
Er saß zusammengekauert auf dem gegenüberliegenden Sitz und war von Kopf bis Fuß in Decken eingehüllt. Sie wollte lieber nicht genauer untersuchen, was alles in seinen nassen Haaren hing. Eine seiner Wangen wies einen dunklen Ölfleck auf, sodass er aussah, als hätte er ein blaues Auge. Die teuren maßgeschneiderten Kleider, in denen er den Abend begonnen hatte, lagen in einem feuchten, unansehnlichen Haufen auf dem Boden, und es schien, als entstiege ihnen ein Großteil des die Kutsche erfüllenden Geruchs.
»Und wo ist Ihr Mantel?«, äußerte sie den ersten Gedanken, der ihr kam.
»Ich war gezwungen, ihn einem Freund zu borgen, der in den Fluss gefallen ist.«
»Gütiger Himmel.« Beim Anblick seiner nackten Schienbeine und Füße riss sie überrascht die Augen auf. Er hatte riesengroße Füße,
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