Verstohlene Kuesse
hatten fragen wollen?«
Sie sah das Blitzen seiner Augen. »Nein.«
»Sind Sie sich ganz sicher?«
»Ja.«
»Hmmm. Nun, nur um eins zwischen uns klarzustellen, ich kann Ihnen versichern, dass Miranda niemals Gelegenheit hatte, das Vanzazeichen auf meiner Brust zu sehen.«
»Wollen Sie damit sagen, Sie sind tatsächlich tätowiert?« Sie starrte ihn mit großen Augen an.
»Eine solche Tätowierung gehört beim Vanza zum Initiationsprozess.«
»Und Sie sind sich ganz sicher, dass Miranda diese Tätowierung nie zu sehen bekommen hat?«
»Ich denke, ich würde mich sicher daran erinnern, wenn es zwischen Lady Ames und mir je zu einem derartigen Zwischenfall gekommen wäre«, versicherte er ihr.
Emma wurde leicht ums Herz. »Ich verstehe. Tja, dann frage ich mich allerdings, weshalb sie so getan hat, als hätten Sie beide eine Affäre miteinander gehabt.«
»Offensichtlich hat sie versucht, herauszufinden, ob ich tatsächlich ein Mitglied der Gesellschaft von Vanzagara bin.« Edison runzelte die Stirn. »Was bedeutet, dass sie von der Gesellschaft weiß und dass sie ihr Zeichen kennt.«
»Sie meinen, Sie hat eine solche Tätowierung an jemand anderem gesehen?«
»Genau.«
Emma sah ihn fragend an. »Aber wer sollte dieser Jemand sein?«
Edison setzte ein humorloses Lächeln auf. »Ich denke da an Farrell Blue.«
»Ja, natürlich.« Emma dachte angestrengt nach. »Eine intime Beziehung zwischen Miranda und Farrell Blue würde vieles erklären, nicht wahr?«
»Sehr vieles sogar. Es würde erklären, wie sie in den Besitz des Teerezepts gekommen ist. Vielleicht hat sie es ihm einfach gestohlen.«
Emma nagte an ihrer Unterlippe, während sie weiter nachdachte. »Sie haben gesagt, dieser Farrell Blue hätte in Rom gelebt und wäre dort bei einem Brand ums Leben gekommen. Falls Miranda ein Verhältnis mit ihm hatte, muss auch sie bis vor kurzem in Italien gelebt haben.«
»Das stimmt.«
»Aber sie behauptet, dass sie aus Schottland kommt. Selbst wenn sie in Bezug auf ihren Mann und ihr Leben dort gelogen hat, hat sie den Theaterprogrammen und Kritiken, die wir gefunden haben, zufolge, tatsächlich im Norden von England und nicht in Italien gelebt.«
»Die Programme und Kritiken sind alle über zwei Jahre alt«, erinnerte Edison sie. »Wer weiß, wo sie anschließend gewesen ist?«
»Das ist ein guter Einwand. Vielleicht hat sie sich ja nach Beendigung ihrer Karriere als Schauspielerin auf den Weg nach Italien gemacht.«
»Vielleicht«, stimmte Edison ihr zu. »Es gibt da jede Menge offener Fragen, aber nun, da Sie Miranda aufgeschreckt haben, wäre ich nicht weiter überrascht, wenn sich in Kürze etwas tun würde. Und das, was sie als nächstes tut, könnte ein weiterer wichtiger Hinweis sein.«
Emma atmete sichtlich auf. »Heißt das, dass ich nicht entlassen bin?«
»Ich glaube, ich behalte Sie noch eine Weile.«
»Danke, Sir. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie erleichtert ich darüber bin, dass Sie nicht die Absicht haben, mir zu kündigen.«
Statt einer Antwort knurrte Edison.
»Ich nehme an, dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um auf mein Empfehlungsschreiben zu sprechen zu kommen?«, fragte Emma mit, wie sie hoffte, größtem Feingefühl.
»Nein.«
Stille senkte sich über den Fahrgastraum.
Emma sah auf ihre Hände und spielte mit den Daumen herum.
Die Stille dehnte sich noch weiter aus.
»Was zum Teufel denken Sie?«, fragte Edison plötzlich.
Sie räusperte sich. »Ich habe mich lediglich gefragt, weshalb ein Gentleman etwas so Seltsames tun sollte wie sich tätowieren zu lassen.«
»Ich war damals neunzehn. Ich glaube, dass das Erklärung genug für jedes noch so absurde Verhalten eines Menschen ist«, kam Edisons trockene Erwiderung.
»Ja, natürlich«, murmelte sie.
Er bedachte sie mit einem Lächeln, bei dem sich schier ihre Zehennägel aufrollten, ehe er fragte: »Würden Sie die Tätowierung vielleicht gerne einmal sehen?«
Er machte eine Bewegung, als wollte er sich seiner Decke entledigen, und Emma brach in Panik aus.
»Nein.« Sie bedachte ihn mit einem bösen Blick. »Machen Sie sich nicht lächerlich, Sir. Natürlich möchte ich Ihre Tätowierung nicht sehen. Sie geht mich nichts an, und es wäre wohl kaum angemessen, würde ich Sie mir anschauen. Schließlich sind Sie mein Chef.«
»Ich frage mich, weshalb mir das immer wieder entfällt.«
Emma war erleichtert, als sie merkte, dass sich das Tempo der Kutsche verlangsamte. Endlich war sie zu Hause angelangt. Sie könnte
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