Verstohlene Kuesse
Hoffentlich stellte sich Edison nicht wieder stur.
22. Kapitel
Edison runzelte die Stirn. »Wir sollen bei Miranda einbrechen? Sind Sie jetzt vollkommen übergeschnappt?«
»Ich denke, dass dort drinnen irgendwas nicht stimmt.« Emma spähte aus dem Fenster der Droschke auf das Haus. Immer noch strahlte es eine geradezu unheimliche Stille aus. Niemand hatte sich dort blicken lassen, seit sie vor ein paar Minuten wieder in die Kutsche gestiegen war. »Es sind noch nicht mal Dienstboten im Haus. Dabei hat Miranda, wie Sie sich vielleicht erinnern, jede Menge Personal. Es sollte also doch zumindest eins der Mädchen oder einer der Diener anwesend sein.«
»Verdammt.«
Trotzdem beugte sich Edison vor und blickte durch das Fenster in Richtung Haus. »Ich wusste, das Ganze war eine schlechte Idee.«
»Nun, Sir? Sehen wir nun nach, was los ist, oder nicht?«
Edison zögerte noch einen Augenblick, doch dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Emma zu. Sie sah die grimmige Entschlossenheit in seinem Blick und wusste, dass er in ebensolcher Sorge war wie sie.
»Wir werden gar nichts tun«, stellte er fest. »Sie werden hier in der Kutsche warten, während ich hinten herumgehe und sehe, ob vielleicht jemand im Garten ist.«
»Ich komme mit«, sagte Emma mit derselben Entschiedenheit wie er. »Falls tatsächlich etwas nicht in Ordnung ist, ist es besser, wir sind zu zweit.«
»Nein, Emma.« Er legte die Hand auf den Türknauf, aber Emma hielt ihn am Ärmel zurück.
»Warten Sie. Hören Sie mir zu. Falls Sie allein gehen, könnte jemand Sie irrtümlich für einen Einbrecher halten.«
»Was ich auch sein werde, wenn die Dinge so stehen, wie Sie sagen. Und ich möchte auf keinen Fall, dass Sie dann etwas damit zu tun haben.«
»Unsinn. Wenn wir zusammen gehen, können wir immer noch behaupten, Miranda hätte uns eingeladen und wir hätten angefangen, uns Sorgen zu machen, als niemand an die Haustür kam. Was sogar die Wahrheit ist.«
»Ein bisschen dünn, finden Sie nicht auch?« Edison öffnete die Tür, stieg aus und drehte sich noch einmal zu ihr um. »Sie bleiben hier, haben Sie mich verstanden?«
Ohne auf eine Antwort zu warten, warf er ihr die Tür der Droschke vor der Nase zu.
Emma wartete, bis er nicht mehr zu sehen war, ehe sie ebenfalls ausstieg.
Sobald sie um die Ecke in die einsame Seitengasse bog, entdeckte sie, dass sie offenbar zu vorsichtig gewesen war und zu lange gewartet hatte. Edison war nirgendwo zu sehen. Es war, als hätte die dunkle Gasse ihn verschluckt, die zwischen zwei Reihen ummauerter Gärten verlief. Blättrige Ranken und blühende Kriechpflanzen ergossen sich über die hohen Steinmauern, und hohe Bäume streckten von beiden Seiten ihre Äste über den schmalen Weg. Das frühsommerliche, schwere Blätterwerk schuf über ihrem Kopf ein dichtes grünes Dach.
Sie bog eilig in die Gasse ein, blieb stehen und versuchte herauszufinden, wo genau sie war. Von dieser Seite aus war schwer zu sagen, durch welches der Tore man in Mirandas Garten kam. Emma versuchte sich zu erinnern, an wie vielen Häusern sie wenige Minuten zuvor auf dem Weg zur Haustür vorbeigegangen war. Vier? Fünf? Sie wusste es nicht mehr.
Zögernd stand sie vor dem vierten Tor. Es könnte mehr als peinlich werden, wenn sie versehentlich in den falschen Garten ging.
»Man sollte meinen«, sagte plötzlich Edison über ihrem Kopf, »dass ich irgendwann einmal lerne, dass Sie sich sowieso nichts sagen lassen.«
Sie sprang wie gebissen zurück und hob den Kopf. »Edison!«
Zwischen dem dichten Blattwerk des Baumes war er nicht sofort zu sehen. Das wirre Grün, das über den Rand der Gartenmauer quoll, bot einen hervorragenden Schutz.
Als sie ihn schließlich ausmachte, starrte sie ihn böse an. »Machen Sie so etwas nie wieder, Sir. Sie haben mir einen Riesenschrecken eingejagt.«
»Geschieht Ihnen ganz recht. Aber nun, da Sie schon einmal hier sind, kommen Sie ruhig mit. Offenbar ist es wesentlich vernünftiger, Sie in der Nähe zu haben, wo ich Sie im Auge behalten kann. Wenn ich Sie sich selbst überlasse, stellen Sie doch nur wieder irgendetwas an.«
Er verschwand, und wenige Sekunden später öffnete sich leise quietschend die Gartentür. Emma trat rasch ein, doch dichte Hecken versperrten ihr die Sicht aufs Haus.
»Folgen Sie mir«, wies Edison sie flüsternd an.
Statt die Wege zu benutzen, schob er sich durch das grüne Labyrinth, bis sie schließlich dicht neben der Küchentür zum Vorschein kamen und
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