Verstoßen: Thriller (German Edition)
aufgebrummt bekamen, was der Staatsanwalt eigentlich verlangt hatte. Und dann die verdammten Verwaltungsfehler … es sah nicht nur so aus, sondern es war tatsächlich so: Woanders war das Gras grüner. Nämlich dort, wo das Gesetz nicht hinreichte. So grün wie Dollarscheine.
Allmählich hatte er angefangen, die Welt von der anderen Warte aus zu betrachten. Sich die Sichtweise erfolgreicher Männer wie Roger Wendel zu eigen zu machen. Aalglatte Typen, denen es ins Gesicht geschrieben stand, dass sie irgendwelche krummen Dinger drehten, die aber durch die Maschen der Gesetze schlüpften.
Und es hatte so kinderleicht ausgesehen.
Der schwere Revolver in seiner Hand zitterte. Langsam berappelte er sich. Stand auf und nutzte seine fast zwei Meter Körperlänge, um buchstäblich auf den Mann herabzusehen, der in seinem Arbeitszimmer stand, als ob nichts wäre. Als ob keine tödliche Schusswaffe auf ihn gerichtet wäre, die seinem Leben in weniger als einer einzigen Sekunde ein Ende bereiten konnte.
Ich kann die Sache jetzt zu Ende bringen. Hier und jetzt. Es liegt in meiner Hand .
Buchstäblich.
Woher er den Mut nahm, wusste er nicht, aber im nächsten Augenblick spannte sein Finger sich um den Abzug. Fester.
Wie in Zeitlupe sah er die Drehung des Zylinders. Ein metallisches Klicken folgte.
Er drückte noch einmal ab. Und wieder. Und noch einmal.
Klick-klick-klick-klick .
»Vermisst du die hier?«, hörte er den Mann fragen.
Walter sah, wie der andere sich in die Hosentasche griff. Die Hand vorstreckte. Auf seinem Handteller stießen ein paar zwanzig Jahre alte .357-Magnum-Patronen klimpernd aneinander.
»Die Alarmanlage taugt nichts, Euer Ehren. Ich beobachte dich schon eine ganze Weile. Ohne dass ich dafür in einem blauen Astra vor der Tür sitzen oder irgendwelche Formulare ausfüllen müsste. Aber gut, das ist jetzt nicht das Thema.«
Der Eindringling kam auf Walter zu. Verstört starrte dieser vor sich hin und atmete schwer. Als Maier ihm die Waffe aus der zitternden Hand nahm, leistete er keinen Widerstand.
Maier bugsierte ihn in Richtung Schreibtisch. »Setz dich.«
Bebend nahm Walter in seinem Sessel Platz. Er war vollkommen erledigt.
Erst jetzt wurde ihm richtig bewusst, welche Entscheidung er soeben, im Bruchteil einer Sekunde, gefällt hatte. Wäre die Waffe geladen gewesen, hätte er jetzt eine Leiche. Hätte jemanden eigenhändig erschossen, in seinem eigenen Haus.
Was war in ihn gefahren? Was hatte er getan?
Das Herz schlug ihm bis zum Hals.
»Wenn Wendel getan hätte, weswegen du ihn losgeschickt hast«, hörte Walter den anderen in seinem Rücken sagen, »dann wärst du mit deinen beiden Fehlern davongekommen. Aber es ist anders gelaufen. Willst du wissen, wie?«
Walter reagierte kaum darauf. Ein sonderbares Gefühl überkam ihn, als stünde er plötzlich außerhalb seines eigenen Körpers. Als ob all dies nicht wirklich geschähe. Der Mann hinter ihm sprach leise. Er stand so nahe, dass Walter seinen Atem auf dem Gesicht spürte.
»Wendel brachte es nicht fertig, Jeanny etwas anzutun. Nach einem langen, klärenden Gespräch hat er beschlossen, darauf zu verzichten. Dein Pitbull war auch dabei. Er durfte sich aussuchen,
ob er eine Kugel durch seinen entstellten Kopf gejagt bekommen oder lieber abhauen wollte. Es wird dich vielleicht nicht wundern, er hat sich für Letzteres entschieden. Aber vorher haben wir uns in aller Ruhe unterhalten: Jeanny, Susan, Roger Wendel und dein Pitbull. Ein richtig gutes Gespräch war das. Sehr erhellend. Vor allem für Roger Wendel. Der war ganz Ohr.«
Walter stockte der Atem. Er hatte Miguel beauftragt, Roger zu ermorden.
Das wusste Roger nun also.
Mein Leben ist vorbei .
»Roger hat selbst Dreck am Stecken«, brachte Walter mit Mühe hervor. Er wollte sich umdrehen, dem anderen in die Augen sehen, spürte aber eine schwere Hand auf seiner Schulter und sank in den Sessel zurück.
»So what ? Denk mal nach. Was hat Roger zu verlieren? Was kann ihm angelastet werden? Die Sache mit Jeanny würde nicht mal auf den Tisch kommen. Und was den Mord an Carl Ecke angeht, damit wird Roger auch keine großen Probleme haben. Der lässt seine Sache jetzt an allen Ecken und Enden begutachten und wasserdicht absichern. Ein ganzes Heer von Anwälten arbeitet für ihn, und die machen ihre Sache gründlich, Elias. Am Ende wird er unschuldig aussehen wie ein neugeborenes Kind, dafür werden seine Leute schon sorgen. Am kürzeren Hebel sitzt du. Du bist derjenige, der
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