Verstrickung des Herzens
an Warren vorbei und murmelte laut genug, so daß er es hörte: »In was für einer Welt leben wir nur! Da muß eine junge Frau größere Angst vor ihrem Vater haben als vor der Wildnis, wo sie skalpiert werden könnte ...«
Auch ihrem Mann waren diese Worte nicht entgangen. Belustigt begann er sein Pferd zu satteln. Dafür nahm er sich viel Zeit. Er hatte bereits beschlossen, Warrens Soldaten auf Umwegen zu Trent zu dirigieren, und er hoffte, sie würden sich verirren. Danach wollte er warten, bis die Nacht hereinbrach.
Im grünen Dunkel war der Weg kaum zu sehen, und sie verlor die Orientierung. Nach links — immer nach links ... Womöglich ritt sie im Kreis. Tiefe Stille erfüllte den Wald. Als eine Eule schrie, zuckte Teela erschrocken zusammen. Dann herrschte wieder drückendes Schweigen. Sie folgte dem Ufer eines Bachs, und plötzlich plätscherte das Wasser. Beinahe hätte sie aufgeschrien. Das funkelnde schwarze Auge eines Alligators erwiderte ihren Blick und schien heranzugleiten. Entsetzt spornte sie das Pferd an, das in Panik geriet und durchging.
Teela klammerte sich verzweifelt an der Mähne fest und hoffte, der wilde Galopp würde sie nicht in die falsche Richtung führen. Schon seit Stunden ritt sie durch den Wald. Die Abenddämmerung sank herab. Im Wasser spiegelten sich rote und goldene Sonnenstrahlen, färbten Reiher und Kraniche rosa und gelb. Und dann verdichteten sich die bläulichen Schatten.
Endlich gelang es ihr, die Stute zu zügeln und in langsamen Trab zu versetzen. In der Ferne heulte ein Wolf und jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
Der Mond ging auf. Wann immer er hinter einer Wolke verschwand, mußte Teela anhalten, weil sie nicht einmal ihre Hand vor Augen sah. Zweige raschelten in ihrer Nähe. Wilde Tiere? Oder Indianer? Um ihre Angst zu bekämpfen, sang sie vor sich hin. Nein, das durfte sie nicht
— sie mußte lauschen.
Wenn die Wölfe heulten, wußte sie wenigstens, woher das unheimliche Geschrei stammte. Aber dieses Rascheln ... Jedesmal, wenn es erklang, stockte ihr Atem. Die Stute spürte Teelas Nervosität und wieherte unbehaglich.
»Ganz ruhig, mein Mädchen. Nun müßten wir die Hütten bald erreichen.« Teela duckte sich, um einem Zweig auszuweichen. Gellend schrie sie auf. Der Zweig war eine Schlange. Vielleicht ein harmloses Tier ... Sie hörte kein Klappern. Da sie sich inzwischen vom Bach entfernt hatte, konnte es auch keine Wassermokassinschlange sein.
Glücklicherweise fiel der schuppige Leib nicht auf sie herab. Aber nun raschelte es wieder, dicht hinter ihr. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Zweifellos wurde sie verfolgt.
»Schneller, mein Mädchen!« O Gott, warum war sie so leichtsinnig gewesen, sich allein in diese geisterhafte Wildnis zu wagen? Überall konnten Indianer lauern, die nur zu gern den Skalp einer weißen, rothaarigen Frau erbeuten würden.
Jetzt raschelte es noch lauter. Ein Pferd sprengte hinter ihr her. Von kalter Angst erfaßt, drehte sie sich um. In der Dunkelheit sah sie nur die nackte Brust des Reiters — und schwarzes Haar. Schreiend drückte sie die Fersen in die Flanken der Stute, beugte sich tief hinab. Doch das nützte ihr nichts. Die Hufschläge kamen immer näher, ein starker Arm umschlang Teelas Taille und riß sie aus dem Sattel. Unsanft landete sie am Boden, der schwere Körper eines Mannes fiel auf sie herab.
»Teela!«
Sie blinzelte im Mondlicht, das plötzlich die Finsternis erhellte und die Schatten aus einem bronzebraunen Gesicht vertrieb. »O James ...«
»Was zum Teufel machst du hier draußen?« »Warum hast du mich verfolgt?« lautete ihre Gegenfrage.
»Bist du allein?«
»Natürlich! Du hättest mich fast zu Tode erschreckt. Mein Gott ...« Wütend hämmerte sie mit beiden Fäusten gegen seine Brust, bis er ihre Handgelenke festhielt.
»Hör auf!«
»Bastard! Warum hast du dich nicht zu erkennen gegeben?«
»Erst mußte ich herausfinden, ob du allein bist. Warren könnte dir folgen. Was treibst du hier draußen, du dummes Ding? Weißt du nicht, wie gefährlich die Wildnis ist?«
»Doch.«
»Aber warum ...«
»Würdest du bitte aufstehen?«
James erfüllte ihren Wunsch und zog sie mit sich hoch. Dann schob er sie zwischen den Bäumen hindurch. »Wohin gehen wir?« fragte sie.
»Zu den Hütten.«
»Wir könnten reiten ...«
»Das könnten wir«, bestätigte er trocken, »wenn die Pferde nicht davongelaufen wären.«
Zweige streiften ihr Gesicht, und James bahnte ihr einen Weg durch dichtes
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