Verstrickung des Herzens
statt.«
»Stiefmutter?«
»Mary McKenzie«, erklärte Tara.
»Die Mutter meines Bruders, die uns beide großgezogen hat«, ergänzte er.
»Und nun lebt sie da draußen?« fragte Teela entsetzt. »Wo Soldaten wie mein Stiefvater immer wieder Indianerinnen und Kinder niedermetzeln? O Jarrett, wie kannst du das zulassen?«
»Oft genug haben wir versucht, sie hierherzuholen«, versicherte Tara. »Aber sie will nicht bei uns wohnen. Sie liebt die Wildnis, trotz aller Mühsal.«
»Und wir haben kein Recht, ihr unser Leben aufzuzwingen«, betonte Jarrett.
Verständnislos schüttelte Teela den Kopf. »Was werdet ihr tun, wenn die Army den Sieg erkämpft? Wenn alle Krieger gefallen sind, bis auf den letzten Mann? Wenn die Frauen und Kinder nach Westen getrieben oder von Schurken wie Michael Warren ausgerottet werden? Soll
Mary McKenzie sterben, nur damit sie ihrer Lebensart treu bleiben kann?«
Erbost sprang Jarrett auf und schleuderte seine Serviette zu Boden. »Niemand wird ein Mitglied meiner Familie ermorden, solange noch ein Tropfen Blut durch meine Adern fließt! Aber ich zwinge weder Mary noch James, meinen Standpunkt zu vertreten. Ich kann auch nicht die Kämpfe meine Bruders ausfechten. Jeder Mann muß seinen eigenen Regeln gehorchen.« Ohne ein weiteres Wort verließ er das Zimmer, und Teela wandte sich zerknirscht zu Tara.
»Tut mir leid, ich hatte kein Recht, so mit Jarrett zu reden. Ich war nur überrascht, weil seine Stiefmutter da draußen in der Wildnis lebt ...«
»Schon gut, Teela. Wann immer Mary erwähnt wird, regt er sich schrecklich auf. Er sorgt sich um sie, denn sie bedeutet ihm sehr viel. Und mir auch.«
»Wie ist sie denn?«
»Eine wunderbare, großzügige Frau, stark und intelligent. Das merkt man den Söhnen an, die sie großgezogen hat.«
»Und wie war Naomi?«
»Bildschön«, antwortete Tara zögernd. »Und sie wäre stets ein Teil von James' Leben gewesen, weil sie sein Volk und auch seine Sprache verstand.«
»Also hat er sie geliebt — und nicht nur begehrt.«
»Teela ...«
»Nein, bitte, sag nichts! Ich bin erwachsen und durchaus imstande, meine Handlungsweise zu verantworten. Wirklich, du mußt mich nicht bemitleiden.« Plötzlich erhob sie sich, floh aus dem Zimmer und rannte auf die Veranda. An eine Säule gelehnt, atmete sie die frische Nachtluft ein. Sie liebte dieses Land, die Sonnenuntergänge, die Hitze, den stolzen Flug exotischer Vögel. Aber sie gehörte nicht hierher.
Wenn sie doch davonlaufen könnte . . . Aber die Soldaten würden sie zurückbringen. Es sei denn, sie könnte ihnen ausweichen.
»O Gott!« flüsterte sie und preßte ihre Hände an die Schläfen. Da hörte sie den Schaukelstuhl hinter sich knarren und drehte sich erschrocken um.
Jarrett stand auf, ging zu ihr und legte einen Finger unter ihr Kinn. »Wenn ich grausam und ungeduldig war — das wollte ich nicht.«
»Nein, du warst nicht grausam«, entgegnete sie und wich zurück. »Und du mußt dich meinetwegen nicht sorgen. Ich bin nicht so schwach, wie ich vielleicht aussehe. Als ich mich mit James einließ, tat ich's freiwillig, und ich akzeptiere alle Konsequenzen.«
Zu ihrer Verblüffung lächelte er. »O nein, du bist nicht schwach, und deine Kraft fasziniert meinen Bruder genauso wie deine Schönheit.« Nach einer kurzen Pause schüttelte er seufzend den Kopf. »Hätte ich dich bloß nicht hierhergebracht! Aber wie sollte ich ahnen, daß du hier in dein Unglück rennen würdest?«
»Vorhin warst du mir böse, weil ich nicht verstand, warum du Mary ihrem eigenen Leben überläßt. Gerade ich hätte das begreifen müssen. Wir alle sollten so leben, wie wir's für richtig halten. Könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich die Ereignisse nicht ändern. Vielleicht liegt eine öde, trostlose Zukunft vor mir. Wie auch immer, ich bereue nichts.«
Er schaute sie nachdenklich an. Dann schien er einen Entschluß zu fassen. »Jim Johnson hat mir eine Nachricht von Mary gebracht. Aber er hat auch James gesehen.«
»Ja?« flüsterte sie atemlos.
»Gerade hält er Kriegsrat mit Osceola, Philip, Jumper, Micanopy und den anderen. Es geht ihm gut.«
»Und wenn ihn die Soldaten finden?«
»James kann sehr gut auf sich selber aufpassen.«
»Natürlich. Danke.«
»Jetzt solltest du schlafen.« »Ja, Jarrett. Gute Nacht.«
Stundenlang warf sie sich unruhig im Bett umher. James hatte zweifellos gewußt, daß Jim Johnson nach Cimarron reiten würde. Doch er hatte ihr keine Nachricht geschickt.
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