Versuchung Pur
die Pferde sich sehr schnell gewöhnt hatten. Courage steckte den Kopf über das Tor und schmiegte seine Schnauze in Edens Hand.
»Ja, du bist ein guter Junge«, murmelte sie und griff in die Tüte. »Manche Mädchen kennen den Unterschied zwischen einem Sattel und einem Steigbügel noch immer nicht. Aber das werden wir ändern, nicht wahr?« Auf der flachen Hand bot sie dem Pferd den Apfel an.
Während Courage zufrieden kaute, ging Eden in die Box, um ihn sich anzusehen. Den Wallach hatte sie günstig erstanden. Er war alt und hatte einen Senkrücken. Aber sie hatte ja nicht nach Vollblütern gesucht, sondern nach zuverlässigen und friedfertigen Tieren. Zufrieden, dass er gründlich gestriegelt worden war, verriegelte sie die Boxtür hinter sich und ging zum nächsten Pferd.
Nächsten Sommer würden sie mindestens drei weitere Stuten anschaffen. Ein Lächeln auf dem Gesicht, ging Eden von Box zu Box. Die Frage, ob es Camp Liberty im nächsten Sommer noch gab, stellte sie sich erst gar nicht. Natürlich würde es das Camp nächsten Sommer geben. Und sie würde dazugehören. Als fester Bestandteil.
Viel mehr als ihr Geld und ihr Händchen für Pferde hatte sie eigentlich nicht mitgebracht. Candy war diejenige mit der Ausbildung. Candy, die mit drei Schwestern aufgewachsen war, in einer Familie, in der Tradition immer wichtiger gewesen war als Geld. Im Gegensatz zu Eden hatte Candy immer gewusst, dass sie für ihren Lebensunterhalt würde arbeiten müssen, und hatte sich darauf vorbereitet. Aber Eden lernte schnell. Wenn Camp Liberty zu seiner zweiten Saison eröffnete, dann würde sie mit mehr als nur ihrem Namen Partner sein.
Die ehrgeizigen Pläne wuchsen schnell. In wenigen Jahren würde Camp Liberty für sein Reitprogramm im ganzen Land bekannt sein. Der Name Carlbough würde wieder ein respektierter Name sein. Irgendwann würde es vielleicht sogar eine Zeit geben, da ihre Bekannten aus Philadelphia ihre Kinder zu ihr ins Sommercamp schickten. Eine Ironie des Schicksals, die Eden durchaus zusagte.
Nachdem die fünfte Apfelhälfte verteilt war, ging Eden schließlich zur letzten Box. Hier stand Patience, eine alte Stute. Sie ertrug mit Engelsgeduld jeden Reiter, so schlecht er auch sein mochte – solange sie nur genügend Zuneigung und Streicheleinheiten bekam. Die alten Knochen schmerzten, und Eden fühlte mit ihr. Oft verbrachte sie eine zusätzliche Stunde damit, die Stute mit Salbe einzureiben.
»Hier, mein Schatz.« Während Patience auf ihrem Apfel herumkaute, hob Eden Huf um Huf an. »Da war aber jemand nachlässig, nicht wahr?«, murmelte sie und holte ihr Hufmesser aus der Tasche. »Wer hat dich denn zuletzt geritten? Die kleine Marcie, nicht wahr? Da steht dann wohl ein ernsteres Gespräch über Verantwortung an.«
Eden seufzte. »Ich verabscheue ernste Gespräche über Verantwortung. Vor allem, wenn ich diejenige sein muss, die sie aufbringt.« Patience schnaubte verständnisvoll. »Aber ich kann ja Candy nicht die ganzen unangenehmen Aufgaben überlassen, oder? Auf jeden Fall bin ich sicher, dass Marcie nicht absichtlich so gedankenlos war. Sie hat immer noch ein bisschen Angst vor Pferden. Aber wir werden ihr zeigen, was für eine nette alte Lady du bist. Da, schon geschafft. Was hältst du von einer kleinen Massage?« Eden steckte das Hufmesser zurück in die Tasche und legte die Wange an den Pferdehals. »Ach Patience, die könnte ich auch gebrauchen. Eine schöne Massage mit einem fein duftenden Öl. Dann liegt man da, mit geschlossenen Augen, und alle Verspannungen werden wegmassiert. Danach fühlt sich deine Haut so weich an wie Samt, und alle Muskeln sind ganz entspannt und locker.«
Eden lachte leise und richtete sich auf. »Nun, da du mir den Gefallen nicht tun kannst, werde ich das zumindest für dich machen. Lass mich nur eben das Mittel holen.« Sie klopfte der Stute auf den Hals und drehte sich um.
Und schnappte erschreckt nach Luft.
Chase Elliot lehnte an der offenen Tür von Patiences Box. Schatten fielen auf sein Gesicht und betonten seine maskulinen Gesichtszüge. Im dämmrigen Licht sahen seine Augen aus wie grüne Gischt.
Eden wollte einen Schritt zurückweichen, doch hinter ihr stand die Stute und blockierte den Weg. Chase lächelte über ihr Dilemma.
Und genau das rührte an ihrem Stolz. Wofür sie dankbar sein sollte. Es überrumpelte sie, dass er im Halbdunkel fast noch attraktiver aussah als im strahlenden Sonnenschein. Noch … unwiderstehlicher. Keineswegs gut
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