Versuchung
Anstrengung
der letzten Stunden steckten mir noch allzu deutlich in den Gliedern und ich
spürte die Erschöpfung.
Als die Sonne
allmählich unterzugehen begann, war es wieder Zeit, nach einem geeigneten
Schlafplatz Ausschau zu halten. Wir wurden bald fündig, errichteten ein Lager
und bereiteten alles fürs Abendessen vor.
„Wie lange werden
wir noch unterwegs sein?“, fragte ich, während ich in die Flammen schaute.
„Einige Wochen“,
antwortete Devil, der sich nun neben mir niederließ.
War ich über diese
Auskunft erleichtert oder machte sie mir Sorgen? Ich konnte es nicht genau sagen.
Irgendetwas in mir freute sich darüber, längere Zeit in seiner Nähe sein zu
können, doch andere Teile schrien entsetzt auf. Wer wusste schon, was uns auf
dieser langen Reise noch alles widerfahren würde?
„Incendium sieht ganz
anders aus, als ich es mir vorgestellt habe“, fuhr ich fort.
„Verständlich. Du
kannst nur das wissen, was dir in Necare darüber beigebracht wurde, und davon sind
die wenigsten Dinge wahr.“
Damit hatte er wohl
recht. Man hatte uns gelehrt, dass Incendium eine Welt aus Feuer, Flammen und
dunklen Kreaturen war, doch das stimmte nicht. Hier war es fast überall grün,
Bäume und wundervolle Pflanzen säumten die Umgebung. In der Ferne konnte ich hohe
Berge erkennen, deren Spitzen schneebedeckt waren. Natürlich gab es auch
düstere Orte, das hatte ich ja bereits selbst gesehen. Dennoch fragte ich mich,
warum man in Necare nur von den schrecklichen Seiten sprach. Wussten die Hexen
es nicht besser? Oder taten sie es gar mit Absicht, um die Angst zu schüren?
Ich versuchte, ein
Gähnen zu unterdrücken, und Devil lächelte. Ich mochte es so sehr …
„Du solltest noch
etwas essen und dann schlafen gehen.“ Er reichte mir einen vollen Teller mit
Reis und einer dunklen Soße. „Das war heute sicher anstrengend für dich.“
Ich nickte. „Diese
Kobolde waren echt widerlich. Ich hatte außerdem ziemliche Angst, sie würden
erkennen, was ich in Wirklichkeit bin.“
„Niemand würde in
dir eine Hexe vermuten, denn viele Dämonen haben ein menschliches Aussehen. Außerdem
ist es Hexen normalerweise gar nicht möglich, nach Incendium zu gelangen, darum
würde auch niemand auf diese Idee kommen.“
Ich wollte gerade
antworten, als er die Brauen runzelte und nachdenklich ins Dickicht blickte.
„Was ist?“, fragte
ich und sah in dieselbe Richtung, ohne jedoch etwas Verdächtiges erkennen zu
können.
„Ich hab irgendetwas
gehört“, antwortete er und erhob sich. „Ich schaue schnell nach, bleib du
hier.“
Ich schüttelte
sofort entsetzt den Kopf und stand ebenfalls auf. „Nein, ich komme mit.“
Er zögerte kurz,
gab dann aber nach.
„Okay, bleib dicht hinter
mir und versuch, leise zu sein.“
Ich nickte und
folgte ihm. Ich gab mir wirklich Mühe, mich möglichst geräuschlos zu bewegen,
doch im Vergleich zu Devil kam ich mir vor wie ein Elefant im Porzellanladen. Ständig
blieb ich an Sträuchern und Wurzeln hängen, die ich einfach nicht gesehen hatte.
Meine Schritte raschelten auf dem Laub und patschten durch schlammige Pfützen.
Von Devil hörte ich dagegen keinen einzigen Laut. Vielleicht, dachte ich, wäre
es besser, wenn ich doch wieder zu unserem Schlafplatz zurückkehren würde. Ich
wollte nicht riskieren, dass wir wegen meiner Tollpatschigkeit entdeckt wurden.
Dabei stellte sich aber die Frage, wie ich gefahrlos zurückfinden sollte. Devil
sah sich immer wieder nach mir um, es war offensichtlich, dass er aufpassen
wollte, dass ich mich nicht verletzte.
Vermutlich handelte
es sich nur um ein paar Minuten, doch mir kam es wie eine halbe Ewigkeit vor, bis
ich durch die Büsche ein Licht schimmern sah. Wir kämpften uns näher heran, bis
wir Stimmen hörten. Sie klangen ausgelassen und erhitzt. Sie lachten und
scherzten, was selbst mir nicht entging.
Dicht gefolgt von mir,
schlich sich Devil weiter voran, bis er die Personen erkennen konnte. Ich
selbst war aufgrund der Entfernung noch immer nicht in der Lage, sie zu sehen, doch
ich hörte ihre betrunkenen Stimmen.
„Keine Sorge“,
wisperte er dicht an meinem Ohr. Sein warmer, süßer Atem jagte über meine Haut
und ließ mich schaudern.
„Ich kenne den
Anführer des Trupps.“
Ich sah ihn
überrascht an.
„Lass uns
zurückgehen.“
Ich nickte und
folgte ihm leise, doch leider nicht leise genug …
„Wer ist da?!“,
rief eine
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