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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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halbrömischen Liegeposition aufzusetzen, wobei ihm sein Bauch die meisten Schwierigkeiten machte. Seine Füße suchten die Pantoffeln, die unter den Couchtisch gerutscht waren.
    Ich stellte die Kartons darauf ab. Maria Fellner drängte sich nun auch in das kleine Zimmer. Ich schätzte, dass die ganze Wohnung kaum mehr als vierzig Quadratmeter hatte.
    »Darf ich Platz nehmen?«
    Wolfgang wechselte einen Blick mit seiner Gattin. Die zuckte mit den Schultern, griff nach der Fernbedienung und schaltete das TV-Gerät nicht etwa aus, sondern machte nur den Ton leiser.
    »Bitte sehr.«
    Ich öffnete den ersten Karton. »Wer hatte Salami?«
    »Ich«, sagte Wolfgang. Er nahm seine Bestellung entgegen wie einen Schierlingsbecher.
    »Dann ist Caprese für Sie, nicht wahr? Mit extra Knoblauch?«
    Sie setzte sich, nahm den Karton und öffnete ihn misstrauisch. Als sie sah, dass es sich tatsächlich um eine Pizza handelte, hielt sie ihn unschlüssig in meine Richtung.
    »Wollen Sie vielleicht ein Stück?«
    »Gerne.«
    Ich griff zu. Am liebsten hätte ich ihr die ganze Pizza aus der Hand gerissen. Zwei Minuten lang aßen wir schweigend.
    »Horst Schwerdtfeger«, begann ich und nahm eine der dünnen Papierservietten, die mir der Bote überlassen hatte, um mir Tomatensoße vom Hemd zu wischen. »Er war Ihr Bruder?«
    Sie nickte. »Mein Halbbruder.«
    »Aha.« Ich wusste nicht, ob das eine wichtige oder eine unwichtige Information war. »Sie sind seine einzige Verwandte, nicht wahr?«
    »Mütterlicherseits ja.«
    »Wussten Sie, warum er nach Polen wollte?«
    Sie schob das nächste Stück Pizza in den Mund. Plötzlich füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie kaute, schluckte, stellte dann den Karton auf den Tisch.
    »Warum wollen Sie das wissen? Das war doch ein Pole, der das getan hat. Wahrscheinlich wollte er ihm das Auto klauen.«
    »Das wurde unbeschadet sichergestellt. Soll ich mich um die Überführung nach Hamburg kümmern?«
    Wolfgang tauchte hinter seinem aufgeklappten Karton auf. »Ja, das wär gut«, schnaufte er. »Bevor es noch wegkommt. Da drüben ist ja nichts sicher.«
    »Wir müssen die Beerdigung bezahlen«, sagte Maria entschuldigend. »Unter zweitausend Euro kriegt man nichts, ich hab mich schon erkundigt. Das bricht uns das Genick. Horst hatte doch nichts. Und sein Toyota war alt, vielleicht bekommen wir ja noch fünfhundert Euro dafür. Wir haben noch nicht mal den Fernseher ganz abbezahlt. Wolfgang ist Frührentner, und ich verdiene kaum was, trotz Mindestlohn.«
    »Das ist bitter«, sagte ich.
    »Mindestlohn«, schnaubte Wolfgang. Offenbar schuf nichts so schnell Vertrauen wie ein gemeinsamer Feind. Als äußerst zuverlässig erwiesen sich in solchen Fällen die Bundesregierung und deren nichtsnutzige Adjutanten. »Jedes Jahr, wenn wir den Rentenbescheid von der BfA bekommen, könnte ich die ganze Bude in die Luft jagen.«
    Ich nickte. Frau Fellner bot mir noch ein Stück an. Während ich aß, ließ Wolfgang sich über das marode Sozialsystem aus, das seine Bürger wie Vampire aussaugte. Ich wartete, bis er sich genügend beruhigt hatte, um weiterzuessen.
    »Sie wissen, dass Ihr Bruder oder Schwager Geld bei sich hatte?«
    Beide, Mann und Frau, wechselten einen schnellen Blick. Wahrscheinlich wollten sie einem Fremden gegenüber nicht damit herausrücken, dass das schwarze Schaf irgendwo in einen Topf mit Gold getreten war, der … vielleicht … eventuell … ihnen gehören könnte. Ich verstand sie nur zu gut.
    »Hab davon gehört«, murmelte sie. »Keine Ahnung, woher er das hatte. Hoffentlich finden sie es. Der Mörder sitzt ja schon. Eigentlich ist es jetzt unser Geld.«
    Sie stockte. Maria Fellner machte nicht den Eindruck einer bösen, habgierigen Person. In ihrem bescheidenen Leben kam eine Summe von dreißigtausend Euro einfach nicht vor. Wenn es den Schmerz um den verstorbenen Bruder linderte, dann hätte das Geld wenigstens noch einen Sinn gehabt.
    »Woher hatte er es?«
    »Das hat er mir nicht gesagt. Wir hatten lange Zeit nur wenig Kontakt zueinander. Er war immer schon schwierig. Verschlossen. Hat viel angefangen, vieles aufgehört. Ihm hat der Vater gefehlt.«
    »Was war mit seinem Vater?«
    Frau Fellner hob unsicher die Schultern. »Horst ist unehelich auf die Welt gekommen. Damals, in den sechziger Jahren, war es für meine Mutter noch eine Schande. Kein Mann guckte sie mehr an, alle dachten, sie sucht nur einen Ernährer. Acht Jahre später hat sie dann meinen Vati kennengelernt und

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