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Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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Bambusstock schlagen sollen und war dem Befehl nicht gleich nachgekommen. Daraufhin hatten die Soldaten ihm befohlen, wieder und wieder mit dem Stock zuzuschlagen, bis Tante Selimas Rücken ganz blutig gewesen war. Dann hatte er ihr Salz in die Wunden streuen müssen.
    Mouse hätte sich beinahe übergeben, aber er hatte seine Lektion gelernt.
    Einmal hatte er sich bei Mr. Donato entschuldigt, nachdem er ihn in die Rippen getreten hatte, weil dieser nicht schnell genug aufgestanden war. Er konnte allerdings nicht sagen, ob der Mann ihn überhaupt gehört hatte.
    Â» Es tut mir leid. Ich will das nicht tun. Es tut mir wirklich leid. «
    Aber er war zu feige, um sich den Befehlen von Leutnant Sayle und den anderen Soldaten zu widersetzen.
    Eines Nachts, in der Dunkelheit am Lagerfeuer, hielt Mouse es schließlich nicht mehr aus und fragte nach, wann es geschehen würde. Wann würde er die Menschen umbringen müssen, die ihn einst bei sich aufgenommen hatten?
    Sergeant Ocho hatte sich neben ihn gesetzt und gefragt: » Wie läuft’s, Soldat? «
    Mouse starrte die Gefangenen an, antwortete jedoch nicht.
    Sei still. Lass dir nichts anmerken. Lass sie nicht wissen, was du denkst.
    Er dachte an Mahlia, die ihre Gefühle immer so sorgsam verborgen hatte. Um niemals jemanden wissen zu lassen, was in ihrem Kopf vor sich ging, und keine Schwäche zu zeigen. Wenn du unter diesen Kojwölfen überleben willst, darfst du dir Furcht oder Schwäche niemals anmerken lassen.
    Aber Ocho durchschaute ihn sofort. Er folgte Mouses Blick zu den Gefangenen.
    Â» Am Anfang hat man es nicht leicht. Das ist die größte Hürde von allen. «
    Mouse hielt den Mund. Er wagte es nicht, etwas zu sagen. Er wurde wieder auf die Probe gestellt. Wenn er seine Gedanken laut aussprach, würden sich die Soldaten etwas Neues einfallen lassen, um ihm und den Dorfbewohnern wehzutun. Wenn er eine Schwäche zeigte, würden sie sie ausnutzen und ihn so lange quälen, bis er weitere Schwächen preisgab. Und dann würden sie ihm vielleicht irgendwann einfach eine Kugel in den Kopf jagen.
    Â» Wenn wir diese Maden losgeworden sind, wird es besser werden « , sagte Ocho. Dann lachte er trocken und sagte: » Oder jedenfalls weniger kompliziert. Wenn du auf Soldaten der Freiheitsmiliz oder der Gottesarmee schießt, wirst du kein Mitleid empfinden, weil du weißt, dass die dich genauso kaltmachen würden. «
    Mouse sah den Sergeanten an. » Wie kommt es, dass ich noch keinen der Gefangenen umbringen musste? Schließlich musste ich schon alles Mögliche andere machen. «
    Ocho sah ihn an, als sei er verrückt. » Wir sind doch keine Tiere! Nicht wie die Gottesarmee. Die Gotteskämpfer erschießen dich ohne jeden Grund. Zum Beispiel weil du keine patriotischen Farben trägst, nicht laut genug für ihren General singst oder die falsche Religion hast. So sind wir nicht. Diese Maden sind jetzt unsere Gefangenen. Wenn sie versuchen, wegzulaufen oder einen von uns zu verletzen, erschießen wir sie. «
    Er zuckte mit den Achseln. » Aber wir laufen nicht rum und knallen wahllos Leute ab. « Er nickte in Richtung der Gefangenen, die flach am Boden lagen. Schemenhafte Gestalten, die genauso gut hätten tot sein können, so still lagen sie da. Sie hatten gelernt, sich nicht zu regen, um die Tritte zu vermeiden, die es sonst hagelte.
    Ocho fuhr fort. » Tot nützen uns die Gefangenen nichts. Auch wenn sie nicht viel hermachen– diese Maden sind für uns Nachschub auf zwei Beinen. Wenn wir sie töten, schaden wir uns damit nur selbst. Wir müssen sie am Leben erhalten, damit sie uns was bringen. Wir setzen sie als Plünderer ein, und den Schrott, den sie finden, verhökern wir an die Blutkäufer. Die liefern uns Munition für den Krieg. Ohne diese Maden hier würde es uns niemals gelingen, das Land zurückzuerobern und es all den Verrätern und Kollaborateuren heimzuzahlen… « Er verstummte.
    Â» Du verstehst das alles noch nicht, weil du noch nicht richtig zu uns gehörst. Du musst erst lernen, wie ein Soldat zu denken. «
    Er klopfte auf sein Gewehr und nickte in Richtung der Truppe. » Diese Jungs hier stehen hundertprozentig hinter dir. Im Moment machen sie dir noch das Leben zur Hölle, aber wenn es Kugeln hagelt und du angeschossen wirst, werden sie dich retten. Sie werden dich ins Lager zurückschleppen und dich verarzten,

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