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Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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Chance wegzulaufen. Besser wird es nicht mehr. Aber er rührte sich nicht.
    Wovor fürchtete er sich?
    Die Soldaten besaßen keine übernatürlichen Kräfte. Sie waren einfach nur Verbrecher mit Waffen. Das war alles. Sie konnten ihn nicht die ganze Zeit im Auge behalten. Im Moment zum Beispiel war er völlig allein.
    Weshalb fürchtete er sich also?
    Ãœbelkeit stieg in ihm auf, als er sich umdrehte und wieder auf das Soldatenlager zulief. Er wusste, dass er feige war. Er sollte die Beine in die Hand nehmen, aber er traute sich nicht.
    Er kam bei der Lichtung an und stellte die Wasserflaschen ab. Im Lager sah alles genauso aus wie vorher. Die Soldaten rissen Witze. Einer von ihnen, ein blonder Junge mit einem von Säure verätzten Gesicht, der den Namen Slick trug, trat nach den Gefangenen, sobald einer von ihnen es wagte, den Kopf zu heben. Einige der anderen hatten sich hingesetzt und aßen geräuchertes Dörrfleisch. Sergeant Ocho saß an einen Baum gelehnt da und wirkte schläfrig. Er hielt sich die Rippen, wo der Halbmensch ihn verletzt hatte. Es war nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Bis auf…
    Mouse erstarrte. Auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung stand Leutnant Sayle und rauchte eine selbst gedrehte Zigarette. Und er beobachtete Mouse. Kalte graue Augen, die auf ihn gerichtet waren. Sein schmales Gesicht war ausdruckslos und ließ keinerlei Gefühl erahnen, aber seine Augen folgten jeder von Mouses Bewegungen.
    Mouse spürte, wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief. Er salutierte zögernd, wie er es bei den anderen Soldaten gesehen hatte. Die Lippen des Leutnants verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln, aber er erwiderte die Geste lässig.
    Â» Ghost! « , schrie jemand. » Hey, Halbraute! « Mouse wurde bewusst, dass er gerufen wurde, und wandte sich vom Leutnant ab.
    Gutty, der ausgemergelte Junge mit der herabhängenden Haut an Armen, Beinen und Bauch, kam auf ihn zu.
    Â» Geh Feuerholz holen! « , befahl er. » Und zwar dalli! Faule Kriegsmaden können wir hier nicht gebrauchen! Du gehörst jetzt zur Elite! Ich will Schweiß sehen! Ein Soldat der VPF hat keine Angst vor ein bisschen Schweiß! Also los, Soldat! «
    Mouse salutierte noch einmal. Er war genauso erschöpft wie alle anderen, aber er stolperte trotzdem in den Wald zurück.
    Vielleicht würde es ihm diesmal gelingen zu fliehen.
    Im Dschungel sah er zwei Soldaten zwischen den Bäumen hervortreten. Sie kamen aus der Richtung des Sumpfes, wo Mouse kurz zuvor Wasser geholt hatte.
    Einen Moment lang sahen sie Mouse an, und sein Magen zog sich angstvoll zusammen, während sie durch das Lager auf Leutnant Sayle zugingen.
    Die Soldaten waren überall, wurde Mouse klar.
    Das war alles ein Test. Er war nicht verrückt. Er wurde tatsächlich beobachtet.
    Â» Pass auf, dass das Holz trocken ist! « , rief Gutty ihm hinterher. » Ich will kein verdammtes frisches Holz, das raucht und ständig ausgeht! «
    Der Marsch durch den Dschungel setzte sich fort. Die Soldaten rissen Witze und unterhielten sich und traten nach den Gefangenen, wenn diese sich nicht schnell genug bewegten. Mouse wurde zum Wachdienst eingeteilt und musste auf Leute aufpassen, die einmal freundlich zu ihm gewesen waren.
    Manchmal kam einer der Soldaten zu ihm und sagte ihm, dass einer der Gefangenen nicht gehorcht hatte.
    Dann sollte Mouse demjenigen in die Rippen treten oder Säure auf seinen Rücken gießen, sodass Rauch von seiner Haut aufstieg. Er nannte die Gefangenen Kriegsmaden und Schlimmeres.
    Er trat sie, wenn sie aufstehen sollten. Stieß sie zu Boden, wenn sie sich hinlegen sollten.
    Ständig rechnete er damit, dass jemand ihm eine Waffe in die Hand drücken und er den Befehl erhalten würde, einen der Gefangenen zu töten. Er hatte Geschichten darüber gehört, wie die Kriegsherren ihre Leute rekrutierten. Er wusste, was vor ihm lag, und er fürchtete sich davor.
    Er quälte die Dorfbewohner, verätzte ihre Haut mit Säure und wartete dabei immer auf das nächste Grauen. Und die Bewohner von Banyan Town sahen ihn genauso hasserfüllt an wie die anderen Soldaten.
    Diese dagegen lachten und feuerten ihn an.
    Mouse wollte heulen, damit das alles aufhörte. Er wollte sich weigern. Aber das eine Mal, als er gezögert hatte, hatten sie ihn zu noch grausameren Taten gezwungen. Er hatte Tante Selima mit einem

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