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Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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ihren Gebieten.
    Mouse staunte vor allem darüber, wie lebendig die Stadt war, und nicht nur wegen der Soldaten, der Gewehrschüsse und Kampfgeräusche. All das gab es natürlich auch–die farbigen Gebietsmarkierungen, die Truppen, das Echo von Gewehrschüssen und Artilleriefeuer entlang der umkämpften Grenzen, die hastig auf die Gebäude geschmierten Sektorennummern neben den Namen der Kanäle: Sterns Fluss, Ruhiger Kanal, Goldstraße, Kanal K, Grüner Kanal, Friedenswächterallee. Das alles hatte er erwartet. Die Kugeln und die Gebäude.
    Er hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass in den zerbrochenen Fenstern Schwärme von Vögeln sitzen würden. Dass am Himmel Adler ihre Kreise ziehen würden, die in den Kanälen Fische fingen. Ein Reh schwamm durch das offene Wasser, und nachts war das Jaulen und Kläffen der Kojwölfe zu hören, die sich über die Häuserdächer hinweg verständigten.
    Die versunkenen Städte wurden vom Krieg, von der Hitze, den Moskitos und dem brackigen Wasser beherrscht, aber sie waren auch seltsam lebendig. Der Dschungel eroberte sich ein Gebiet zurück, das ursprünglich nur den Menschen vorbehalten gewesen war.
    Und dann waren da noch die Plünderer.
    Mouse hatte die versunkenen Städte immer vor allem für ein Kriegsgebiet gehalten, tatsächlich waren sie aber in erster Linie eine Fundgrube für die verschiedensten Dinge.
    Am ersten Tag seiner Ankunft erlebte er mit, wie ein ganzer Häuserblock abgerissen und ausgeschlachtet wurde. Gewaltige Staubwolken stiegen auf, riesige Berge von Rohrleitungen, Stahl, Kupfer und Eisen wurden aus den Trümmern geborgen und jede Menge Kabel, die nach Gewicht, Metall und Farbe sortiert wurden.
    Manche Gebäude waren sehr alt und bestanden aus rosaweißem Marmor. Der Marmor wurde abgetragen und auf Kähne geladen. Die restlichen Mauersteine und Betonblöcke wurden in die Kanäle geschüttet und bildeten dort neue, höher gelegene Straßen, die von den Gezeiten nicht mehr überflutet werden konnten.
    Aberhunderte von Menschen waren inmitten der Trümmer zugange. Sie bildeten lange Ketten und schoben Schubkarren mit Steinen hin und her. Oder versammelten sich um massive Stahlträger, die sie mit Kudzuseilen anhoben und auf Kähne beförderten.
    Die Hundetruppe, der Mouse zugeteilt worden war, hatte die Gefangenen aus Banyan Town zu den Abrissstätten geführt.
    Â» Los, lauft! « , hatte Gutty gerufen. » Macht euch nützlich! «
    Die anderen Soldaten hatten die Gefangenen unter lautem Johlen mit ihren Bambusstöcken vorangetrieben. Mouse hatte ihnen hinterhergesehen. Es waren Menschen, die er gekannt hatte. Lilah und Tua, Joe Sands und Tante Selima, die immer so nett zu ihm gewesen war. Mr. Salvatore, der seine Tochter und seinen Enkelsohn verloren hatte, warf Mouse einen abfälligen Blick zu, als er an ihm vorbeiging.
    Sergeant Ocho versetzte Mouse einen Klaps auf den Hinterkopf.
    Â» Aua! «
    Â» Schau ihnen lieber nicht zu lange hinterher, Halbraute. Der Leutnant denkt sonst womöglich, dass du gar kein Soldat sein willst. Dass du lieber mit den anderen Kriegsmaden schuften möchtest. «
    Der Leutnant sah tatsächlich zu Mouse herüber. Seine kalten grauen Augen musterten ihn abschätzend. Er schien Mouse ständig zu beobachten. Sogar dann, wenn Mouse sich wie ein mustergültiger Soldat verhielt und sich einmal nicht mit Fluchtgedanken trug.
    Hatte Mouse sich irgendwie verraten?
    Vielleicht hatte der Leutnant ja gesehen, wie Mouse auf dem Marsch zu den versunkenen Städten am Lagerfeuer gesessen und immer wieder unauffällig den dunklen Dschungel nach einem Fluchtweg abgesucht hatte. Aber es war ständig ein Soldat mit einer Waffe in seiner Nähe gewesen.
    Â» Schau nicht hin, Ghost « , sagte Ocho. » Das sind nicht mal mehr Menschen, das sind Kriegsmaden. Die gehen dich nichts an. «
    Die Soldaten trieben die Gefangenen auf die Trümmer zu. Schließlich wurden sie von den Wolken aus Betonstaub verschluckt, die die Luft trübten.
    Als Mouse es endlich wagte, ein weiteres Mal in ihre Richtung zu blicken, waren sie inmitten der vielen anderen Arbeiter verschwunden– winzige staubige Punkte unter vielen. Aber Ocho bemerkte trotzdem Mouses Blick und rammte ihm den Kolben seines Gewehrs in die Rippen.
    Â» Letzte Warnung, Ghost. Es wird noch eine Weile dauern, bis deine Rauten komplett sind. Nicht

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