Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
Vom Netzwerk:
dass jemand auf die Idee kommt, du weißt nicht, wo du hingehörst. «
    Mouse gehorchte und wandte sich ab und wusste doch zugleich, dass diese Schuld ewig auf ihm lasten würde.
    Sogar jetzt brannte noch die Scham in ihm. Von seinem Posten auf dem Dach des Gebäudes sah er den Betonstaub und hörte das Klappern der Abrissstätte, die einen halben Kilometer entfernt war.
    Die Stelle, wo man ihm Glenn Sterns Kennzeichen in seine Wange gebrannt hatte, tat immer noch weh, aber der Schmerz ließ langsam nach. Und obwohl er als Halbraute bezeichnet wurde und eine Menge niederer Dienste verrichten musste– Wasser holen, Töpfe schrubben oder ein Reh kochen, das die Soldaten erlegt hatten–, hatte er eine Machete und Säureflaschen bekommen und durfte mit den anderen Wache halten.
    Zwar war er für die anderen Soldaten lediglich ein Laufbursche, aber das war immer noch besser als das, was die Arbeiter auf den Abrissstätten leisten mussten. Er bekam genug zu essen, war bewaffnet, und Wache zu halten war keine anstrengende Aufgabe.
    Wenn er darüber nachdachte, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Die Gefangenen waren vom Meer der Arbeiter verschluckt worden, und er selber lief frei herum.
    Das ergab keinen Sinn. Er hatte nichts getan, um dieses Schicksal zu rechtfertigen. Die Flut des Krieges war herangerollt und hatte ihn und Banyan Town mit sich gerissen, und jetzt wurden sie alle von der Brandung hin und her geworfen. Und aus Gründen, die er nicht verstand, war er an die Oberfläche gelangt und konnte atmen, während alle anderen ertranken.
    Seine Eltern waren Hochwasserchristen gewesen und hatten immer gesagt, Gott hätte einen Plan, auch wenn es manchmal nicht so aussah.
    Mouse ließ den Blick über die Abrissstätten mit den wimmelnden Massen staubbedeckter Sklaven wandern. Wenn es tatsächlich einen Plan gab, dann musste er ziemlich grausam und finster sein.
    In der Ferne war das Knattern von Gewehrfeuer zu hören.
    Er konnte nicht genau sagen, wer momentan um die Vorherrschaft über das Gebiet kämpfte. Vielleicht die VPF und die Gottesarmee, die Tulane-Kompanie, Taylors Wölfe oder die Freiheitsmiliz. Es war unmöglich festzustellen. Er hörte nur Gewehrfeuer.
    Gutty trat zu ihm und klopfte ihm auf die Schulter. » Komm, Ghost « , sagte er. » Wir gehen auf Patrouille. Und rate mal, wer an der Spitze laufen darf? « Er lachte, denn für ihn war es ein lustiger Witz.

2 9
    Am Nachmittag des zweiten Tages erreichten Mahlia und Tool Moss Landing. Zweimal mussten sie umkehren und Patrouillen ausweichen, die Tool ausgemacht hatte. Sie kamen deshalb nur langsam voran, aber dann sahen sie doch den breiten, schlammigen Streifen des Potomac River vor sich liegen.
    Mahlia war zweimal mit dem Arzt in Moss Landing gewesen, aber damals war sie stets am Stadtrand geblieben, während Doktor Mahfouz ins Zentrum gegangen war, um den Soldaten, die Schwarzmarktwaren von der Küste hereinschmuggelten, Medikamente abzukaufen.
    Solange es einen Fluss gab, würden auch Waren darüber transportiert werden, hatte der Arzt gesagt. Medikamente, die die großen Recyclingunternehmen und ihre korrupten Arbeiter an die Soldaten verkauften, wurden den Fluss hinauf geschmuggelt und Waffen den Fluss hinunter. Auf magische Weise überwanden sie die Grenzlinien– was Armeen und Flüchtlingen nicht gelang.
    Noch mehr Waffen und Munition zum Kämpfen.
    Â» Warum wird eigentlich immer noch gekämpft? « , hatte Mouse einmal gefragt. » Wäre es nicht einfacher, damit aufzuhören? Dann würden alle viel mehr Geld verdienen. «
    Mahlia hätte beinahe darüber gelacht. Er wiederholte im Grunde das, was ihr Vater jahrelang jeden Abend gesagt hatte.
    Â» Die Soldaten sind dumm und verrückt « , hatte sie geantwortet.
    Aber Doktor Mahfouz hatte den Kopf geschüttelt. » Nicht verrückt. Eher… auf eine sehr effektive Weise geisteskrank. Wenn die Menschen für ihre Ideale kämpfen, ist ihnen kein Preis zu hoch, und sie können niemals aufgeben. Sie kämpfen nicht um Geld, Macht oder Herrschaft. Jedenfalls nicht in Wirklichkeit. Sie kämpfen, um ihre Feinde zu vernichten. Selbst wenn sie also alles um sich herum zerstören, ist es das für sie wert, weil sie wissen, dass sie damit auch die Verräter vernichten. «
    Â» Aber sie nennen sich doch alle gegenseitig Verräter « , hatte Mouse

Weitere Kostenlose Bücher