Versunkene Staedte
Wasser floss an einer Reihe schiefer Pfähle vorbei, die in den Fluss gesetzt worden waren.
So nahe am Meer strömte das Salzwasser mit der Flut in die Mündung des Flusses und floss bei Ebbe wieder zurück. Doktor Mahfouz hatte Mahliaâ vor Jahren, wie es schienâ erzählt, dass es sich um eine einmalige Landschaft handelte. Wäre der Fluss vom Krieg und den Abwässern der Stadt nicht so verseucht gewesen, hätte es darin eine Menge Fische und Schildkröten gegeben.
Natürlich lebten hier auch ein paar Tiere, vor allem aber fischte man Leichen aus dem Wasser. Sie wurden aus den Kriegsgebieten den Fluss hinunter ins Meer gespült. Manche waren in den Fluss geworfen worden, andere schwammen auf kleinen FlöÃen vorbei. Letztere wurden meist abgefangen und an Land gezogen.
Mahlia blickte sich unschlüssig im Hafen um. Einer der Bootsbesitzer war eine Frau. Sie sah unter einem tropfenden Regenhut zu Mahlia hinüber. Mahlia wollte schon auf sie zugehen, zögerte dann aber. Nur weil die Bootsbesitzerin eine Frau war, hieà das nicht, dass sie ungefährlich war. Und Mahlia gefiel etwas nicht an dem Blick, mit dem die Frau sie musterte.
Die Frau hatte zwei Pistolen um die Hüfte geschnallt, und ihre Lippe war gespalten und mehr schlecht als recht wieder zusammengenäht worden. Ihr Blick war so kalt, dass Mahlia unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. Die Frau erinnerte sie an einen Kojwolf.
Als Mahlia weiterging, entdeckte sie den Mann, der sich am Tag zuvor am Waldrand erleichtert hatte. Den sie für einen Offizier gehalten hatte.
Er und seine beiden Leibwächter banden Ausrüstung auf ihrem Boot fest und bedeckten sie mit zerrissenen Plastikplanen, die mit den alten Logos chinesischer Firmen bedruckt waren. Mahlia sah sogar ein Banner, wie die Friedenswächter sie in ihrer Jugend aufgehängt hatten.
Leg die Waffe aus der Hand und bestelle dein Land, stand darauf.
Sie erinnerte sich an die Kampagne. Die Friedenswächter hatten versucht, ehemalige Soldaten auf dem Land anzusiedeln. Diese hatten lediglich ihre Waffen abgeben müssen und hatten dafür Saatgut, Land und eine Einführung in die Landwirtschaft erhalten.
Einer der Leibwächter stand auf dem zerrissenen Banner, die Schrotflinte erhoben. Einen Moment lang glaubte Mahlia, er würde sie niederschieÃen, aber dann wanderten seine Augen weiter.
Die Frau sah immer noch zu Mahlia herüber. Sie kletterte aus ihrem Boot und kam auf sie zu.
» Du da « , sagte sie. » Komm her, Mädchen. Lass dich anschauen. «
Mahlia trat noch einen Schritt zurück und wollte weglaufen. Hinter sich nahm sie jedoch eine Bewegung wahr.
Sie hob die Machete, um sich zu verteidigen. Die beiden Leibwächter gingen an ihr vorbei, ohne sie zu beachten. An ihren Gesichtern lief der Regen hinab, doch sie blinzelten nicht einmal, als sie die Waffen hoben.
» Verschwinde, Lady « , sagte einer von ihnen. Er hatte einen kugelförmigen Kopf und tiefschwarze Haut. Seine Arme waren unglaublich dünn, aber er hielt das Jagdgewehr fest umklammert. Der andere Junge machte einen Schritt zur Seite und richtete seine Schrotflinte ebenfalls auf die Frau. Er sah aus wie ein Chinese, aber anders als Mahlia. Er war kein VerstoÃener. Ein reinblütiger Patriot, geboren und aufgewachsen in den versunkenen Städten, kein Mischling wie sie.
» Lass das Mädchen in Ruhe « , sagte er.
Die Hände der Frau wanderten zu ihren Pistolen, aber in diesem Moment rief der Mann von seinem Boot aus: » Die Jungs sind erstklassige Schützen, Clarissa. Also, zieh Leine. «
Die Frau lieà den Blick noch einmal in die Runde schweifen, dann wandte sie sich ab und ging zu ihrem Boot zurück, um die Leinen loszumachen. Kurz darauf war sie auf dem Fluss und trieb mit der Strömung davon. Sie warf einen letzten Blick in Mahlias Richtung und verschwand im grauen Regendunst.
Mahlia sah den Mann und die beiden Jungen überrascht an. » Danke. «
Der Mann zuckte mit den Achseln. » Du solltest von hier verschwinden. Sie ist eine Sammlerin. Sie hätte einen guten Preis für dich bekommen, obwohl du nur eine Hand hast. Und wenn du zu ihr gegangen wärst, hätte sie dich kassiert. «
Die beiden Jungen sahen sie an.
» Bist du eine VerstoÃene? « , fragte der Dunkelhäutige.
Mahlia überlegte, was sie darauf antworten sollte. Aber bevor sie etwas sagen konnte,
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