Verteidigung
warmer, herzlicher Stimme. Sein faltiges Gesicht strahlte vor Freude.
»Was tun Sie denn hier?«, erkundigte sie sich misstrauisch.
»Zufällig gehört mir das Gebäude.«
»Und warum sind Sie so glücklich?« Sie ließ ihre Handtasche auf den Schreibtisch fallen.
»Weil ich letzte Nacht im Hotel übernachtet habe, und zwar allein.«
»Vielleicht sollten Sie das öfter tun.«
»Wollen Sie nicht wissen, warum?«
»Natürlich. Warum?«
»Weil ich Paula gestern Abend verlassen habe, Ms. Gibson. Ich habe meine Sachen gepackt, mich verabschiedet und bin gegangen – für immer.«
Sie riss verblüfft die Augen auf. »Nehmen Sie mich auf den Arm? Im Ernst?«
»Ganz im Ernst. Nach dreißig trostlosen Jahren bin ich ein freier Mann. Deswegen bin ich so glücklich, Ms. Gibson.«
»Das freut mich natürlich. Herzlichen Glückwunsch.« In ihren achteinhalb Jahren bei Finley & Figg war Rochelle Paula Finley nie persönlich begegnet, und das war auch gut so. Wally behauptete, Paula setze keinen Fuß in das Gebäude, weil sie es für unter ihrer Würde halte. So gern sie herumerzähle, ihr Mann sei Anwalt, was immer nach Geld und Macht klinge, so peinlich sei es ihr insgeheim, dass er es nicht weiter gebracht habe. Sie gab jeden Cent aus, den er verdiente, und hätte es auf ihrer Seite nicht irgendein mysteriöses Familienvermögen gegeben, wären sie schon längst pleite gewesen. Mindestens dreimal hatte sie von Oscar verlangt, Rochelle zu entlassen; zweimal hatte er es versucht. Beide Male hatte er sich geschlagen in sein Büro zurückgezogen, um hinter verschlossener Tür seine Wunden zu lecken.
Bei einer denkwürdigen Gelegenheit hatte Mrs. Finley angerufen und ihren Mann verlangt. Rochelle hatte sie höflich darüber informiert, dass dieser ein Mandantengespräch habe. »Mir egal«, hatte die Antwort gelautet. »Stellen Sie mich durch.« Rochelle hatte sich erneut geweigert und sie in die Warteschleife geschaltet. Als sie wieder abnahm, fluchte Paula und drohte, dem Herzinfarkt nahe, höchstpersönlich für Ordnung zu sorgen. »Auf eigene Gefahr«, erwiderte Rochelle. »Da, wo ich wohne, lässt man sich nicht so leicht einschüchtern.« Paula Finley kam nicht, aber ihr Ehemann bekam einiges zu hören.
Rochelle ging zu Oscar und nahm ihn in die Arme. Keiner der beiden konnte sich erinnern, wann sie sich zum letzten Mal berührt hatten.
»Sie werden ein neuer Mensch sein«, sagte sie. »Herzlichen Glückwunsch.«
»Die Scheidung dürfte eigentlich kein Problem sein.«
»Ihr Anwalt ist doch nicht etwa Mr. Figg?«
»Doch. Der Mann ist billig. Er verteilt sogar Bingokarten mit seinem Namen.« Beide lachten, setzten sich an den Tisch und tauschten den letzten Tratsch aus.
Eine Stunde später wiederholte Oscar bei der dritten Kanzleibesprechung die Neuigkeiten für David. Der war etwas verwirrt, dass die Nachricht mit solcher Begeisterung aufgenommen wurde. Keiner schien auch nur im Geringsten traurig zu sein. Offenkundig hatte sich Paula Finley jede Menge Feinde gemacht. Oscar war geradezu euphorisch bei dem Gedanken, sie loszuwerden.
Wally lieferte eine Kurzfassung seiner Gespräche mit Jerry Alisandros und ließ es so klingen, als wären die dicken Schecks praktisch in der Post. Während er sprach, wurde David plötzlich klar, was es mit der Scheidung auf sich hatte. Die Ehefrau musste weg, und zwar schnell, bevor das große Geld kam. Was auch immer dahintersteckte, er roch Ärger. Vermögenswerte verstecken, Geldflüsse umleiten, von Strohmännern Bankkonten eröffnen lassen – er konnte die Gespräche zwischen den beiden Partnern geradezu hören. Seine Alarmglocken schrillten. Jetzt hieß es, die Augen offen zu halten und wachsam zu sein.
Wally forderte die gesamte Kanzlei auf, Gas zu geben, die Akten in Ordnung zu bringen, neue Fälle zu finden, alles andere hintanzustellen und so fort. Alisandros habe versprochen, medizinische Gutachter, Kardiologen und jegliche logistische Unterstützung zur Verfügung zu stellen, um die Mandanten für den Vergleich vorzubereiten. Jeder aktuelle Fall sei Geld wert, künftige Fälle könnten noch mehr einbringen.
Oscar saß da und grinste. Rochelle lauschte aufmerksam. David fand die Informationen spannend, aber er blieb vorsichtig. Wally neigte zu Übertreibungen, und David hatte gelernt, nur die Hälfte von allem für bare Münze zu nehmen. Allerdings war auch die Hälfte ein Vermögen.
Die Ersparnisse der Familie Zinc waren auf unter einhunderttausend Dollar
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