Verteidigung
Rollen vertauscht waren. Die Familie bestand aus der Witwe, einer sehr sympathischen, zurückhaltenden Dame von sechzig Jahren, die einen eher bescheidenen Geschmack hatte, einer vierzigjährigen Tochter – mit einem Kinderarzt aus Boise verheiratet und bis über beide Ohren verschuldet –, einer fünfunddreißigjährigen Tochter – Lehrerin mit einem Jahresgehalt von einundvierzigtausend Dollar – und einem einunddreißigjährigen Sohn, der das eigentliche Problem war. Seit seinem fünfzehnten Lebensjahr kämpfte Kirk Maxwell jr. mit seiner Drogen- und Alkoholsucht, ohne großen Erfolg. Koane hatte seine Hausaufgaben gemacht und wusste mehr über die Familie als Gant.
»Warum nennen Sie nicht einfach eine Zahl?«, meinte er. »Ich habe fünf gesagt, jetzt sind Sie an der Reihe.«
»Ihrem Kunden entgehen täglich Einnahmen in Höhe von zwanzig Millionen, weil Krayoxx nicht mehr auf dem Markt ist.« Gant ließ es klingen, als hätte er sich auf raffinierte Weise geheime Insiderinformationen verschafft.
»Eher achtzehn, aber wir wollen nicht kleinlich sein.«
»Zwanzig ist eine schöne runde Zahl.«
Koane fixierte ihn über seine Lesebrille hinweg. Sein Kinn klappte herunter. Tatsächlich überraschte ihn in diesem Geschäft gar nichts mehr, und seine Verblüffung war auch jetzt nur gespielt. »Zwanzig Millionen Dollar?«, wiederholte er, scheinbar wie vor den Kopf geschlagen.
Gant presste die Lippen zusammen und nickte.
Koane hatte sich schnell wieder gefasst. »Nur damit wir uns nicht missverstehen: Senator Maxwell war dreißig Jahre lang in Washington und hat in dieser Zeit mindestens drei Millionen von den großen Pharmakonzernen und den ihnen nahestehenden Wahlkampfkomitees bekommen, einen Großteil davon von Varrick und dessen Führungskräften. Daneben hat er etwa eine Million von Gruppierungen wie der Initiative zur Reform des Schadenersatzrechts erhalten, die Klagen wie der Ihren einen Riegel vorschieben wollen, ob sie nun berechtigt sind oder nicht. Weitere vier Millionen kamen von Ärzten, Krankenhäusern, Banken, Herstellern, Einzelhändlern und einer langen Liste von Initiativen, die überzogene Schadenersatzforderungen verhindern, die Klagemöglichkeiten einschränken und überhaupt den Zugang zu den Gerichten wegen Körperverletzung mit oder ohne Todesfolge erschweren wollen. Wenn es um Schadenersatz und Pharmakonzerne ging, war das Abstimmverhalten des lieben Verstorbenen eindeutig. Ich bezweifle, dass er dabei auf Ihre Unterstützung zählen konnte.«
»Sporadisch.« Gant klang selbst nicht überzeugt.
»Also, wir konnten keine Hinweise darauf finden, dass Sie oder Ihre Kanzlei seinen Wahlkampf je unterstützt hätten. Machen wir uns doch nichts vor, Sie standen auf der anderen Seite.«
»Na und? Was hat das mit diesem Gespräch zu tun?«
»Gar nichts.«
»Und warum reden wir dann darüber? Wie jeder andere Angehörige des Senats hat er hohe Spenden erhalten. Das war alles legal, und das Geld wurde immer für seine Wiederwahl verwendet. Sie wissen doch, wie es läuft, Mr. Koane.«
»Allerdings. Er fällt also tot um, und daran soll jetzt Krayoxx schuld sein. Wissen Sie, dass er das Medikament abgesetzt hatte? Sein letztes Rezept ist vom Oktober vergangenen Jahres, sieben Monate vor seinem Tod. Bei der Autopsie stellte sich heraus, dass er unter Herzinsuffizienz mit Hyperämie und Gefäßverschluss litt, alles nicht durch Krayoxx verursacht. Vor Gericht gehen Sie damit sang- und klanglos unter.«
»Das bezweifle ich, Mr. Koane. Sie haben mich nie vor Gericht erlebt.«
»Stimmt.« Dafür hatte Koane gründlich recherchiert. Mehr als zwei Millionen Schadenersatz hatte Gant vor Gericht noch nie herausgeschlagen, und die waren damals im Berufungsverfahren auf die Hälfte reduziert worden. Seiner Steuererklärung nach hatte er im Vorjahr knapp vierhunderttausend brutto verdient. Peanuts im Vergleich zu den Millionen, die Koane einstrich. Gant zahlte monatlich fünftausend Dollar Unterhalt und elftausend für ein mit hohen Hypotheken belastetes Haus am Golfplatz, das er sich gar nicht leisten konnte. Die Maxwell-Sache war seine Rettung. Koane kannte die genauen Bedingungen für sein Erfolgshonorar nicht, aber einer Quelle in Boise zufolge sollte Gant bei einem Vergleich fünfundzwanzig Prozent und bei einem Geschworenenurteil vierzig Prozent bekommen.
Gant stützte sich auf die Ellbogen und beugte sich vor. »Wir wissen beide, dass es nicht um Haftung geht und im Grunde auch nicht um
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