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Verteidigung

Verteidigung

Titel: Verteidigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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spielen und sie zu erschrecken. Selbst Zaw und Lu fühlten sich schuldig; sie glaubten, sie hätten etwas tun müssen, wussten aber nicht, was.
    Nach dem Essen gingen David und Helen mit Thuya nach draußen zum Auto und schnallten ihn auf dem Rücksitz an. Für den Notfall hatten sie eine kleine Tasche mit Windeln und Reinigungsartikeln dabei.
    Sie fuhren zwanzig Minuten bis zum See und parkten das Auto in der Nähe des Navy Pier. David nahm Thuyas linke Hand, Helen die rechte. Ganz langsam und so mühsam, dass sie es kaum mit ansehen konnten, setzte das Kind einen Fuß vor den anderen. Der Junge bewegte sich wie ein zehn Monate altes Baby, das gerade erst laufen lernte. Aber sie hatten es nicht eilig, und hinfallen konnte er nicht. Die Uferpromenade führte sie an allen möglichen Booten vorbei. Wenn Thuya anhalten und sich eine zehn Meter lange Segeljacht ansehen wollte, taten sie ihm den Gefallen. Wenn ein großes Fischerboot seine Aufmerksamkeit erregte, blieben sie stehen und unterhielten sich darüber. David und Helen redeten ununterbrochen, wie stolze Eltern mit einem Kleinkind. Thuya antwortete mit einem Gebrabbel, einem unverständlichen Strom von Lauten und Geräuschen. Sie taten so, als würden sie ihn verstehen. Wenn er müde wurde, drängten sie ihn weiterzugehen. Der Rehaspezialist im Krankenhaus hatte gesagt, das sei wichtig. Seine Muskeln durften nicht erschlaffen.
    Sie waren mit ihm in Parks, auf Jahrmärkten, in Einkaufszentren, bei Sportturnieren und auf Straßenfesten gewesen. Diese Ausflüge am Mittwochabend waren ihm wichtig und die einzige Zeit, in der die Familie etwas Luft hatte. Nach zwei Stunden fuhren sie zur Wohnung zurück.
    Drei unbekannte Gesichter erwarteten sie. In den vergangenen Monaten hatte David den in der Wohnanlage lebenden Myanmaren bei kleineren rechtlichen Problemen zur Seite gestanden. Normalerweise handelte es sich um Aufenthaltsfragen, mit denen er sich zunehmend besser auskannte. Einmal hatte es fast eine Scheidung gegeben, aber die Eheleute hatten sich versöhnt. Das Verfahren wegen eines Gebrauchtwagenkaufs lief noch. Er hatte sich bei den Einwanderern einen guten Ruf erworben, wusste aber nicht recht, ob er sich darüber freuen sollte. Er brauchte Mandanten, die ihn bezahlen konnten.
    Sie gingen nach draußen und lehnten sich an parkende Autos. Soe erklärte, dass die drei Männer für eine Kanalisationsfirma arbeiteten. Weil sie keine Papiere hätten und der Unternehmer das wisse, bekämen sie wöchentlich zweihundert Dollar in bar. Dafür arbeiteten sie achtzig Stunden pro Woche. Schlimmer noch, seit drei Wochen hätten sie keinen Cent gesehen. Sie sprachen nur wenig Englisch, und da David seinen Ohren nicht trauen wollte, bat er Soe, das Ganze noch einmal zu wiederholen. Die zweite Version war mit der ersten identisch. Zweihundert Dollar die Woche, Überstunden inbegriffen, seit drei Wochen überhaupt nichts mehr. Und sie waren nicht die Einzigen. Es gab andere Myanmaren und eine ganze Lkw-Ladung Mexikaner. Alles Illegale, die bis zum Umfallen schufteten und dabei allesamt über den Tisch gezogen wurden.
    David machte sich Notizen und versprach, sich der Sache anzunehmen.
    Auf der Heimfahrt schilderte er Helen den Fall. »Aber kann ein illegaler Arbeiter seinen betrügerischen Arbeitgeber verklagen?«, wollte sie wissen.
    »Das ist die Frage. Morgen weiß ich mehr.«
    Nach dem Mittagessen kehrte Oscar nicht ins Büro zurück. Es wäre ohnehin sinnlos gewesen. Viel zu viel schwirrte ihm im Kopf herum, als dass er seine Zeit am Schreibtisch hätte verschwenden können. Er war ziemlich angetrunken und musste erst wieder nüchtern werden. Nachdem er getankt und sich bei der Gelegenheit einen großen Becher schwarzen Kaffee geholt hatte, fuhr er auf der 1-57 nach Süden. Bald hatte er Chicago hinter sich gelassen und passierte Ackerland.
    Wie vielen Mandanten hatte er zur Scheidung geraten? Tausenden. Dabei hatte er sich nie große Gedanken gemacht. »In manchen Ehen geht es irgendwann einfach nicht mehr weiter«, hatte er gesagt. »Bei Ihnen ist dieser Moment gekommen.« Er war sich dabei immer sehr weise vorgekommen und hatte eine gewisse Selbstzufriedenheit nicht unterdrücken können. Jetzt fühlte er sich wie ein Hochstapler. Wie konnte man anderen etwas raten, das man selbst nicht erlebt hatte?
    Mit Paula verbanden ihn dreißig unglückliche Jahre. Ihre einzige Tochter, Keely, die ihrer Mutter immer ähnlicher wurde, war sechsundzwanzig und geschieden. Keelys

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