Verteidigung
Seawright setzte die Anhörung auf den 10. August an, den letztmöglichen Termin vor den allgemeinen Gerichtsferien. Es gab keine offenen Anträge, keine drohenden Konflikte, die Beweisaufnahme war erstaunlich glatt verlaufen. Varrick Labs hatte bisher mit ungewöhnlicher Bereitwilligkeit Unterlagen vorgelegt und Zeugen und Sachverständige benannt. Nadine Karros hatte nur eine Handvoll harmloser Anträge gestellt, die der Richter umgehend ablehnte. Die Anwälte von Zell & Potter, die die Klägerin vertraten, hatten sich bei ihren Anträgen ihrerseits als sehr effizient erwiesen.
Seawright verfolgte die Gerüchte über einen Vergleich. Seine Mitarbeiter durchforsteten die Finanzpresse und überwachten die seriösen Blogs. Varrick Labs hatte sich offiziell nicht zu einem Vergleich geäußert, verstand sich aber offensichtlich darauf, Informationen durchsickern zu lassen. Der Aktienkurs war auf 24,50 Dollar abgestürzt, doch die Gerüchte über einen Vergleich auf breiter Front trieben ihn dann zurück auf dreißig.
Als die Vertreter beider Seiten saßen, nahm Seawright seinen Platz am Richtertisch ein und begrüßte die Anwesenden. Er entschuldige sich für den Termin im August – »für viel beschäftigte Menschen der schwierigste Monat im Jahr« –, halte es aber für wichtig, dass sich beide Seiten zusammensetzten, bevor sich die Beteiligten in alle Winde zerstreuten. In aller Eile ging er seine Checkliste für die Beweisaufnahme durch, um festzustellen, ob alle ihre Hausaufgaben gemacht hatten. Es gab keine Beanstandungen.
Jerry Alisandros und Nadine Karros waren so höflich zueinander, dass es schon fast lächerlich war. Wally saß rechts von Alisandros, offenbar als Unterstützung, falls es im Gerichtssaal hart auf hart gehen sollte. Hinter ihm hatten David und Oscar unter den Anwälten von Zell & Potter Platz genommen. Seit er durch die Schießerei öffentlich bekannt geworden war, ging Oscar mehr unter die Leute und genoss die Aufmerksamkeit. Er lächelte und fühlte sich bereits als Junggeselle.
Richter Seawright war schon beim nächsten Thema. »Ich höre immer wieder Gerüchte über einen Vergleich, einen Gesamtvergleich, wie man das heute nennt. Ich habe keine Ahnung, was da vor sich geht. Angesichts der schnellen Vorarbeit würde ich nun einen Verhandlungstermin ansetzen. Falls aber ein Vergleich ansteht, halte ich das für sinnlos. Können Sie mir mehr dazu sagen, Ms. Karros?«
Die Blicke der Anwesenden hingen an ihr, als sie aufstand und mit ein paar anmutigen Schritten an den Richtertisch trat. »Euer Ehren, wie Sie sicher wissen, hat Varrick Labs Erfahrung mit komplexen Gerichtsverfahren. Das Unternehmen hat seine eigene Methode zum Umgang mit Vergleichen, die zahlreiche Kläger betreffen. Ich bin nicht bevollmächtigt, in der Sache Klopeck Verhandlungen aufzunehmen, und wurde von meiner Mandantin auch nicht autorisiert, öffentliche Erklärungen zu einem Vergleich abzugeben. Was mich angeht, bereiten wir uns auf eine Verhandlung vor.«
»Sind Sie damit zufrieden, Mr. Alisandros?«
Sie tauschten die Plätze vor dem Richtertisch, und Alisandros grinste schleimig. »Wir auch, Euer Ehren, wir bereiten uns in dieser Sache ebenfalls auf eine Verhandlung vor. Allerdings muss ich sagen, dass ich als Mitglied des Prozessausschusses der Kläger mehrfach inoffizielle Gespräche mit dem Unternehmen über einen eventuellen Gesamtvergleich geführt habe, die sich allerdings noch im Anfangsstadium befinden. Ich nehme an, dass Ms. Karros über diese Gespräche informiert ist, aber, wie sie selbst sagt, nicht darüber sprechen darf. Da ich kein Vertreter von Varrick bin, gelten diese Einschränkungen für mich nicht. Das Unternehmen hat mich auch nicht um Stillschweigen gebeten. Außerdem gehe ich davon aus, dass Ms. Karros nicht beteiligt sein wird, wenn es zu offiziellen Verhandlungen kommt. Ich weiß aus Erfahrung, dass Varrick so etwas intern erledigt.«
»Rechnen Sie mit offiziellen Verhandlungen?«, fragte Seawright.
Eine lange Pause trat ein, und die meisten Anwesenden warteten gespannt. Nadine Karros brachte es fertig, neugierig zu wirken, obwohl sie genau wusste, was Sache war. Im Gegensatz zu allen anderen im Saal. Wallys Herz raste, seit die Worte »offizielle Verhandlungen« gefallen waren.
Alisandros trat von einem Fuß auf den anderen. »Bevor mich jemand darauf festnagelt, bleibe ich lieber auf der sicheren Seite: Ich weiß es nicht.«
»Sie und Ms. Karros können mir also keine weiteren
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