Verteidigung
Hinweise zum Thema Vergleich liefern?« Aus Seawrights Worten war eine leichte Verärgerung herauszuhören.
Beide Anwälte schüttelten den Kopf. Nadine Karros wusste genau, dass es keinen Vergleich geben würde. Alisandros war sich fast sicher, dass es dazu kommen würde. Allerdings konnte keiner die Karten auf den Tisch legen. Tatsächlich hatte der Richter moralisch gesehen auch keinen Anspruch darauf, mehr über die Strategien außerhalb des Gerichts zu erfahren. Seine Aufgabe war es, ein faires Verfahren sicherzustellen, nicht Vergleichsverhandlungen zu überwachen.
Alisandros ging zu seinem Platz zurück, und Seawright wechselte das Thema. »Den ersten mündlichen Verhandlungstermin habe ich für Montag, den 17. Oktober, angesetzt. Ich gehe davon aus, dass wir das Verfahren dann innerhalb von zwei Wochen abschließen können.«
Wie auf Kommando blickten sämtliche Anwälte stirnrunzelnd in ihre Terminkalender.
»Falls Ihnen das Datum nicht passt, haben Sie hoffentlich gute Gründe«, sagte der Richter. »Mr. Alisandros?«
Alisandros erhob sich zögernd, mit einem kleinen ledernen Terminkalender in der Hand. »Das würde bedeuten, dass die Hauptverhandlung zehn Monate nach Klageeinreichung stattfindet. Das ist ziemlich kurzfristig, finden Sie nicht?«
»Und ob, Mr. Alisandros. Mein Durchschnitt liegt bei elf Monaten. Ich halte nichts davon, Verfahren auf die lange Bank zu schieben. Gibt’s irgendwelche Terminkonflikte?«
»Nein, Euer Ehren, ich hoffe nur, die Vorbereitungszeit reicht aus. Das ist alles.«
»Blödsinn! Die Beweisaufnahme ist so gut wie abgeschlossen. Sie haben Ihre Sachverständigen. Die Beklagte hat ihre Sachverständigen. Anwälte haben beide Seiten mehr als genug. Bis zum 17. Oktober sind es noch achtundsechzig Tage. Für einen Prozessanwalt von Ihrem Ruf, Mr. Alisandros, dürfte das ein Kinderspiel sein.«
Wally hielt alles für eine große Show. Er war davon überzeugt, dass diese Sache und alle anderen innerhalb eines Monats gütlich beigelegt werden würden.
»Was ist mit der Beklagtenvertretung, Ms. Karros?«, erkundigte sich Seawright.
»Bei uns gibt es Terminkonflikte«, erwiderte sie, »aber das regeln wir.«
»Sehr schön. Dann wird in der Sache Klopeck gegen Varrick Labs als Termin vor dem Geschworenengericht der 17. Oktober bestimmt. Solange keine größeren Katastrophen eintreten, wird es keinen Aufschub und keine Vertagung geben, Sie brauchen also gar nicht erst zu fragen.« Er klopfte mit dem Hammer auf den Richtertisch. »Die Sitzung ist geschlossen.«
31
Die Nachricht von dem Verhandlungstermin ging durch die Finanzpresse und verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Internet. Es gab verschiedene Versionen der Geschichte, aber generell klang es, als müsste sich Varrick vor einem Bundesgericht für seine zahlreichen Sünden verantworten. Reuben Massey war es egal, welche Version in Umlauf war und was die Öffentlichkeit gerade dachte. Die Sammelklagenanwälte mussten natürlich so tun, als hätten sie sein Unternehmen gründlich eingeschüchtert. Er wusste, wie Prozessanwälte tickten.
Drei Tage nach der Anhörung in Chicago rief Nicholas Walker Jerry Alisandros an und schlug ein geheimes Treffen zwischen dem Unternehmen und den wichtigsten mit Krayoxx befassten Kanzleien vor. Das Treffen sollte den Weg für offizielle Verhandlungen bereiten. Alisandros war Feuer und Flamme und gelobte feierlich Stillschweigen. Walker, der sich seit mehr als zwanzig Jahren mit Prozessanwälten herumschlug, wusste, dass die Begegnung kein Geheimnis bleiben würde, weil mindestens einer der Anwälte, wenn nicht mehrere, der Presse einen Tipp geben würde.
Am nächsten Tag verkündete ein Einschub im Wall Street Journal , dass Cymbol, der wichtigste Versicherer von Varrick, angewiesen worden sei, den Sicherungsfonds des Unternehmens flüssigzumachen. Unter Berufung auf eine anonyme Quelle spekulierte das Blatt, der einzige Grund dafür könne ein Vergleich im »Krayoxx-Skandal« sein. Weitere Lecks folgten, und bald feierten die Blogger einen erneuten Sieg der Verbraucher.
Da jeder Prozessanwalt, der sein Geld wert war, einen eigenen Jet besaß, war der Ort kein Problem. Nicholas Walker reservierte in New York, das im August wie ausgestorben war, einen großen Konferenzraum im neununddreißigsten Stock eines halb leeren Hotels in Midtown. Viele Prozessanwälte waren vor der Hitze geflohen, aber alle kamen der Einladung nach. Ein großer Vergleich war viel wichtiger als ein paar
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