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Verteidigung

Verteidigung

Titel: Verteidigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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denke, Sie sind ihr Anwalt!«
    David und Oscar wären am liebsten im Erdboden versunken. Wally hatte einen Knoten im Hirn und bereits zwei Beruhigungstabletten eingeworfen. Er richtete den Blick zur Decke und überlegte fieberhaft, wie er diesen Schnitzer wiedergutmachen konnte.
    »Ja, natürlich, aber die Sache ist sehr komplex. Auf jeden Fall ist sie im Krankenhaus. Ich besuche sie in der Mittagspause.«
    Nadine Karros auf der anderen Seite des Tisches zeigte mildes Interesse. Sie wusste alles über Bart Shaw und dessen Attacke gegen Finley & Figg – sie und ihre Mitarbeiter hatten ihn ausfindig gemacht und Nicholas Walker und Judy Beck empfohlen.
    »Tun Sie das, Mr. Figg«, sagte Seawright streng. »Und ich will einen Arztbericht sehen. Wenn sie nicht aussagen kann, werden wir auf ihre beeidete Aussage zurückgreifen müssen.«
    »Ja, Euer Ehren.«
    »Auf die Auswahl der Geschworenen dürfte das keinen Einfluss haben. Ich rechne damit, dass die Jury bis heute Nachmittag vollständig ist, dann sind Sie morgen früh als Erstes dran, Mr. Figg. Idealerweise spricht zunächst die Klägerin über den lieben Verstorbenen.«
    Es war ja sehr freundlich, dass Richter Seawright ihnen sagte, wie sie ihren Prozess führen sollten, aber auf den herablassenden Ton hätte Wally gut verzichten können.
    »Ich rede mit ihren Ärzten«, sagte Wally. »Mehr kann ich im Augenblick nicht tun.«
    »Sonst noch etwas?«
    Die Anwälte schüttelten die Köpfe und verließen das Richterzimmer. Sie gingen in den Sitzungssaal, der sich in der vergangenen Viertelstunde gut gefüllt hatte. Links von ihnen, hinter dem Tisch für die Anwälte der Klägerin, führte ein Gerichtsdiener die sechzig Geschworenen zu den langen, gepolsterten Bänken. Auf der rechten Seite standen mehrere Zuschauergruppen wartend beisammen und unterhielten sich im Flüsterton. Weiter hinten im Saal saßen nebeneinander Millie Marino, Adam Grand und Agnes Schmidt, drei weitere von Finley & Figg vertretene Opfer, die aus Neugier gekommen waren und sich möglicherweise Antworten darauf erhofften, warum sich ihr Hauptgewinn von einer Million plötzlich verflüchtigt hatte. Neben ihnen hatte Bart Shaw Platz genommen, der Geier, der Paria, der übelste Abschaum der Anwaltschaft. Zwei Reihen vor ihnen hatte sich Goodloe Stamm niedergelassen, der Scheidungsanwalt von Paula Finley. Stamm kannte die Gerüchte und wusste, dass die ernst zu nehmenden Anwälte das sinkende Schiff verlassen hatten. Trotzdem war er neugierig auf den Prozess und hoffte, dass es Finley & Figg wie durch ein Wunder doch noch gelang, Gelder für seine Mandantin an Land zu ziehen.
    Richter Seawright eröffnete die Verhandlung und dankte den Geschworenen für die Wahrnehmung ihrer Bürgerpflicht. Er fasste die Sache in einigen Worten zusammen, dann stellte er die Anwälte und die an der Verhandlung beteiligten Justizangestellten vor: die Gerichtsstenografin, die Gerichtsdiener, die Referendare und Urkundsbeamten. Schließlich erklärte er die Abwesenheit von Iris Klopeck und begrüßte Nicholas Walker als Unternehmensvertreter von Varrick Labs.
    Nach dreißig Jahren als Richter kannte sich Harry Seawright mit der Auswahl von Geschworenen aus. Er legte großen Wert darauf, die Anwälte aus dem Spiel zu lassen. Deshalb hatte er im Laufe der Jahre seine eigene Liste mit Fragen erarbeitet und sorgte dafür, dass die Anwälte ihre Fragen über ihn stellten. In erster Linie redete er selbst.
    Aufgrund des umfangreichen Fragebogens beschleunigte sich das Verfahren. Kandidaten, die über fünfundsechzig, blind oder so behindert waren, dass sie in der Ausübung ihrer Pflicht beeinträchtigt waren, wurden ebenso aussortiert wie Personen, die in den vergangenen zwölf Monaten bereits als Geschworene tätig gewesen waren. Falls jemand meinte, etwas über die Sache, die Anwälte oder das Medikament zu wissen, fiel das sofort auf. Während der Richter seine Fragen durchging, erhob sich ein Flugkapitän und entschuldigte sich unter Hinweis auf seinen Dienstplan. Daraufhin kanzelte ihn Richter Seawright mit erstaunlich harten Worten ab und verwies ihn auf seine Pflicht gegenüber der Gesellschaft. Als sich der Pilot wie ein begossener Pudel setzte, wagte keiner mehr zu behaupten, er sei zu beschäftigt. Eine junge Mutter, deren Kind das Downsyndrom hatte, wurde von ihrer Aufgabe entbunden.
    In den vorangegangenen beiden Wochen hatte David mit mindestens einem Dutzend Anwälten gesprochen, die Seawright aus der Verhandlung

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