Verteidigung
ich bleibe im Wagen«, sagte David. »Sie schaffen das schon allein.«
»Gute Idee. Ich beeile mich.« Wally sprang mit dem Aktenkoffer in der Hand hinaus. Iris hatte sie telefonisch angekündigt, und Mrs. Cozart stand schon vor der Haustür.
Die Gang bewegte sich auf den Audi zu. David verriegelte die Türen und dachte, wie schön es doch wäre, wenn er jetzt eine Pistole hätte, nur zu seinem Schutz natürlich. Irgendeine Waffe, die er den Jungs zeigen konnte, damit sie sich einen anderen Spielplatz suchten. Doch da seine einzige Waffe das Mobiltelefon war, presste er es sich ans Ohr und tat so, als wäre er in ein Gespräch versunken, während die Gang näher kam. Die Teenager umstellten den Wagen und unterhielten sich dabei pausenlos miteinander, allerdings konnte David kein Wort verstehen. Minuten vergingen, in denen er im Wagen saß und darauf wartete, dass ein Ziegelstein durch eines der Fenster geworfen wurde. Die fünf Jungen versammelten sich vor der Frontstoßstange, lehnten sich lässig zurück und setzten sich auf die Motorhaube, als würde der Audi ihnen gehören und nun als eine Art Sofa dienen. Sie schaukelten den Wagen leicht hin und her, achteten aber darauf, ihn nicht zu zerkratzen oder zu beschädigen. Dann zündete einer von ihnen einen Joint an und ließ ihn herumgehen.
David überlegte, ob er den Motor starten und einfach wegfahren sollte, doch das würde gleich zu mehreren Problemen führen, unter anderem dem, dass er den armen Wally zurücklassen müsste. Er spielte mit dem Gedanken, das Fenster zu öffnen und die Jungs in ein freundliches Gespräch zu verwickeln, verwarf ihn aber wieder, da sie alles andere als freundlich zu sein schienen.
Aus den Augenwinkeln heraus sah er, wie Mrs. Cozarts Haustür aufgestoßen wurde und Wally aus dem Haus stürmte. Er griff in den Aktenkoffer, zog einen riesigen schwarzen Revolver heraus und brüllte: »FBI! Weg von dem Wagen!« Die Jungs waren so überrascht, dass sie sich nicht vom Fleck rührten. Wally richtete die Waffe gen Himmel und gab einen Schuss ab, der wie Kanonendonner klang. Die fünf legten einen olympiareifen Start hin und rannten in verschiedene Richtungen davon.
Wally schob den Revolver in den Aktenkoffer zurück, stieg ein und knallte die Tür zu. »Wir verschwinden besser.«
David trat das Gaspedal durch.
»Idioten«, zischte Wally.
»Haben Sie immer eine Waffe dabei?«, fragte David.
»Ich habe einen Waffenschein. Und ja, ich habe immer eine Waffe dabei. In dieser Branche braucht man eine.«
»Tragen andere Anwälte auch Waffen?«
»Es ist mir egal, was andere Anwälte tun. Es ist nicht meine Aufgabe, andere Anwälte zu beschützen. Ich bin in dieser Stadt schon zweimal überfallen worden, also muss ich etwas tun, damit mir das nie wieder passiert.«
David bog um eine Kurve und fuhr viel zu schnell durch das Viertel.
Wally sprach weiter. »Diese Verrückte wollte doch tatsächlich Geld haben. Iris hat natürlich angerufen und gesagt, wir würden rüberkommen, und natürlich hat sie Mrs. Cozart auch von der Vermittlungsprovision erzählt, aber da die Alte einen an der Klatsche hat, hat sie sich nur den Teil mit den fünfhundert Dollar gemerkt.«
»Haben Sie das Mandat?«
»Nein. Sie will Bargeld, was ziemlich daneben ist, da Iris ja eigentlich wissen sollte, dass sie unser gesamtes Bargeld bekommen hat.«
»Wo fahren wir jetzt hin?«
»Ins Büro. Sie wollte mir nicht einmal den Namen ihres Mannes sagen, aber den finden wir auch selbst heraus. Das könnten eigentlich Sie übernehmen, wenn wir in der Kanzlei sind.«
»Aber er ist doch gar nicht unser Mandant.«
»Nein, er ist tot. Doch da seine Frau verrückt ist, und zwar richtig, da ist mehr als nur eine Schraube locker … können wir die Klage von einem gerichtlich bestellten Nachlassverwalter genehmigen lassen. Viele Wege führen nach Rom, David. Sie lernen es schon noch.«
»Oh, ich bin bereits dabei. Verstößt es nicht gegen das Gesetz, innerhalb der Stadtgrenzen eine Waffe abzufeuern?«
»In Harvard bringt man euch ja doch etwas bei! Ja, stimmt. Es verstößt auch gegen das Gesetz, aus einer Waffe eine Kugel abzufeuern, die einen anderen Menschen in den Kopf trifft. Das nennt man Mord, und hier in Chicago passiert das mindestens einmal am Tag. Und weil es so viele Morde gibt, ist die Polizei überarbeitet und hat überhaupt keine Zeit, sich um Waffen zu kümmern, aus denen Kugeln abgefeuert werden, die nur harmlos in der Gegend rumfliegen. Wollen Sie mich
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