Verteidigung
ziemlicher Chauvinist. Der Mann ist der Herr im Haus, der Hüter der Finanzen, der Einzige, der Entscheidungen trifft, Sie wissen schon. Wenn der Mann etwas vor seiner Frau verheimlichen will, ist das völlig in Ordnung. Ich bin da erheblich moderner.« Er schloss mit einem nervösen Lachen, das irritierend wirkte.
»Aber es ist zu spät«, wandte sie ein. »Das Testament ist schon geschrieben, und jetzt wird der Nachlass abgewickelt.«
»Das ist richtig, Millie, aber es wird alles wieder in Ordnung kommen. Ihr Mann hat die Baseballkarten seinem anderen Sohn hinterlassen – aber Ihnen hat er eine wunderschöne Klage hinterlassen.«
»Eine wunderschöne was?«
»Sie wissen schon – die Sache mit Krayoxx.«
»Oh, das. Damit bin ich auch nicht gerade glücklich. Ich habe mit einem anderen Anwalt gesprochen, und er sagt, Sie seien damit völlig überfordert und hätten noch nie mit so einem Fall zu tun gehabt.«
Wally schnappte nach Luft, dann gelang es ihm, mit kicksender Stimme zu fragen: »Warum reden Sie mit einem anderen Anwalt?«
»Weil er mich gestern Abend angerufen hat. Ich habe im Internet nach seinem Namen gesucht. Er arbeitet für eine große Kanzlei, die überall im Land Büros hat und nichts anderes tut, als Pharmaunternehmen zu verklagen. Ich überlege, ob ich mich von ihm vertreten lassen soll.«
»Tun Sie das nicht, Millie. Solche Anwälte sind bekannt dafür, dass sie unzählige Fälle übernehmen und ihre Mandanten abzocken. Sie werden nie wieder mit ihm reden, nur mit einem jungen Assistenten in irgendeinem Hinterzimmer. Das ist alles ein großer Schwindel, ich schwöre es Ihnen. Mich bekommen Sie jederzeit ans Telefon.«
»Ich will weder am Telefon noch persönlich mit Ihnen sprechen.« Sie stand auf und griff nach ihrer Handtasche.
»Millie, bitte.«
»Ich werde darüber nachdenken, aber ich sage Ihnen gleich, dass ich alles andere als zufrieden bin.«
Zehn Minuten später rief Iris Klopeck an und wollte ihren Anteil am Vergleich im Krayoxx-Verfahren mit fünftausend Dollar beleihen. Wally saß am Schreibtisch, hatte den Kopf in die Hände gestützt und fragte sich, was jetzt noch kommen konnte.
Wallys Klage wurde dem Ehrenwerten Richter Harry Seawright zugewiesen, der noch von Ronald Reagan ernannt worden war und nun schon seit fast dreißig Jahren auf der Richterbank des Bundesgerichts saß. Mit einundachtzig stand er kurz vor dem Ruhestand und war nicht gerade erfreut über eine Klage, die ihn bis zu ihrem Abschluss unter Umständen mehrere Jahre in Anspruch nehmen würde und seinen Terminkalender zum Platzen bringen konnte. Aber er war auch neugierig. Sein Lieblingsneffe hatte Krayoxx mehrere Jahre lang genommen, mit großem Erfolg und ohne jede Nebenwirkung. Richter Seawright hatte natürlich noch nie etwas von der Kanzlei Finley & Figg gehört. Er wies seinen Referendar an, Informationen über die Kanzlei zu beschaffen. Der Referendar schrieb ihm folgende E-Mail: »Feld-Wald-und-Wiesen-Kanzlei mit zwei Partnern in Preston, Southwest Side, macht Werbung für Blitzscheidungen, bearbeitet werden Alkohol-/Drogenmissbrauch am Steuer, die üblichen Strafsachen, häusliche Gewalt, Personenschäden etc., keine Belege für Klagen an einem Bundesgericht in den letzten zehn Jahren, keine Belege für Geschworenenprozesse an einem einzelstaatlichen Gericht in den letzten zwanzig Jahren, keine Aktivitäten in der Anwaltskammer. Gelegentlich stehen sie doch mal vor Gericht – Figg wurde in den letzten zwölf Jahren zweioder dreimal wegen Alkohol am Steuer verurteilt, die Kanzlei wurde einmal wegen sexueller Belästigung verklagt, außergerichtlich beigelegt.«
Seawright konnte es nicht glauben. In seiner Antwort auf die E-Mail schrieb er: »Diese Anwälte haben keinerlei Prozesserfahrung und verklagen das drittgrößte Pharmaunternehmen der Welt auf einhundert Millionen Dollar?«
Die Antwort des Referendars: »Richtig.«
Richter Seawright: »Verrückt! Was steckt dahinter?«
Der Referendar: »Der Ansturm auf Krayoxx. Der Cholesterinsenker ist das neueste Problemmedikament, und die auf Sammelklagen spezialisierten Kanzleien sind in heller Aufregung. Finley & Figg hofft vermutlich, es im Windschatten einer anderen Kanzlei bis zu einem Vergleich zu schaffen.«
Richter Seawright: »Suchen Sie nach weiteren Informationen.«
Einige Zeit später schickte der Referendar erneut eine E-Mail: »Die Klage wurde von Finley & Figg unterschrieben, aber auch von einem dritten Anwalt – David E.
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