Verteidigung
gehabt, und er würde auch keine bekommen. Varrick hatte vier Milliarden Dollar in die Entwicklung des Medikaments gesteckt. Es war in umfangreichen klinischen Studien in der Dritten Welt getestet worden; die Ergebnisse waren beeindruckend gewesen. Die Forschung zu Krayoxx war gründlich und ohne jeden Fehler, der Entwicklungsprozess mustergültig verlaufen. Krayoxx verursachte nicht mehr Schlaganfälle und Herzinfarkte als Vitamintabletten, und Varrick verfügte über jede Menge Studien, um das zu beweisen.
Die täglich stattfindende Besprechung mit den Firmenanwälten begann um Punkt 9.30 Uhr in der Vorstandsetage im vierten Stock eines Gebäudes, das wie ein Weizensilo in Kansas aussah. Reuben Massey legte äußersten Wert auf Pünktlichkeit, und seine acht Syndikusse saßen um 9.15 Uhr auf ihren Stühlen. Leiter der Rechtsabteilung war Nicholas Walker, ehemaliger Staatsanwalt, ehemaliger Wall-Street-Prozessanwalt und der Kopf hinter sämtlichen Verteidigungsstrategien, mit denen sich Varrick zu schützen versuchte. Wenn die Klagen wie Streubomben vom Himmel fielen, saßen Walker und Reuben Massey stundenlang zusammen, analysierten die Situation, planten ihre Reaktion und holten – falls notwendig – zum Gegenschlag aus.
Massey betrat den Raum um 9.25 Uhr, nahm sich eine Tagesordnung und sagte: »Was gibt es Neues?«
»Krayoxx oder Faladin?«, fragte Walker.
»Faladin hätte ich fast vergessen. Wir bleiben erst mal bei Krayoxx.« Faladin war eine Antifaltencreme, die angeblich Falten verursachte; jedenfalls behaupteten das ein paar großmäulige Anwälte von der Westküste. Das Verfahren stand noch ganz am Anfang, vor allem, weil die Anwälte Schwierigkeiten hatten, Falten vor und nach Anwendung der Creme zu vermessen.
Nicholas Walker sagte: »Die Schleusentore sind offen. Der Schneeball rollt den Berg hinunter. Die Metapher können Sie sich aussuchen. Die Hölle ist ausgebrochen. Ich habe gestern mit Alisandros von Zell & Potter gesprochen, und sie werden mit neuen Fällen geradezu überflutet. Er hat vor, Fälle aus mehreren Bezirken zu einem einheitlichen Verfahren in Florida zusammenzulegen, damit er das Ganze besser steuern kann.«
»Alisandros. Warum sind es immer dieselben Diebe, die uns ausnehmen wollen?«, fragte Massey. »Haben wir ihnen in den letzten zwanzig Jahren nicht schon genug gezahlt?«
»Anscheinend nicht. Er hat gerade seinen eigenen Golfplatz gebaut, nur für die Anwälte von Zell & Potter und einen erlauchten Freundeskreis. Er hat mich zu einem Spiel eingeladen. Achtzehn Löcher.«
»Fliegen Sie hin, Nick. Wir müssen wissen, ob unser Geld von diesen Halsabschneidern klug investiert wird.«
»In Ordnung. Gestern Nachmittag habe ich einen Anruf von Amanda Petrocelli aus Reno erhalten. Sie hat anscheinend ein paar Todesfälle für eine Sammelklage an Land ziehen können und will heute oder morgen Klage einreichen. Ich habe ihr gesagt, dass uns der Zeitpunkt eigentlich egal ist. Diese und nächste Woche dürften noch mehr Klagen erhoben werden.«
»Krayoxx verursacht keine Schlaganfälle und Herzinfarkte«, sagte Massey. »Ich glaube an dieses Medikament.«
Die acht Anwälte nickten zustimmend. Reuben Massey war kein Mann, der solche Behauptungen leichtfertig aufstellte. An Faladin hatte er Zweifel, und über kurz oder lang würde sich Varrick auf einen Vergleich einlassen und ein paar Millionen zahlen, lange bevor es zu einer Verhandlung käme.
Die Nummer zwei seiner Rechtsabteilung war eine Frau namens Judy Beck, eine weitere erfahrene Mitstreiterin im Kampf gegen Sammelklagen. Sie sagte: »Wir sind alle der gleichen Meinung. Unsere Studien sind besser als die der Anwälte, falls sie denn überhaupt welche haben. Unsere Sachverständigen sind besser. Unsere Beweise sind besser. Unsere Anwälte werden besser sein. Vielleicht ist es Zeit für einen Gegenschlag. Vielleicht sollten wir dem Feind alles entgegensetzen, was wir haben.«
»Genau das denke ich auch«, sagte Massey. »Gibt es schon eine Strategie?«
Nicholas Walker meldete sich zu Wort. »Wir sind dabei, eine zu entwickeln, doch fürs Erste läuft alles wie gehabt. Wir geben die üblichen Kommentare ab und warten erst einmal ab, wer wo und wie klagt. Wir sehen uns die Klagen an, die Richter, die Zuständigkeit und suchen uns den richtigen Ort aus. Wenn alles stimmt – der richtige Kläger, die richtige Stadt, der richtige Richter –, heuern wir den besten Prozessanwalt der Stadt an und machen Druck, bis es zur
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