Verteidigung
parkte am Bordstein, hinter einem rostigen VW Käfer, der auf Ziegelsteinen aufgebockt war. »Luther Schmidt, letztes Jahr mit zweiundfünfzig an einem schweren Schlaganfall gestorben. Ich habe mit seiner Witwe gesprochen, sie heißt Agnes«, sagte Wally. David hörte nur mit halbem Ohr zu. Er versuchte sich einzureden, dass dies tatsächlich wirklich war: Er fuhr nach Einbruch der Dunkelheit durch die heruntergekommenen Viertel in Chicagos Southwest Side, zusammen mit seinem neuen Chef, der gerade keinen Führerschein hatte, hielt Ausschau nach Straßendieben und klopfte an die Türen ungepflegter Häuser, ohne zu wissen, was ihn dahinter erwartete, und das alles in dem Bestreben, potenzielle Mandanten zu einer Unterschrift zu drängen, bevor ihnen ein anderer Anwalt zuvorkäme. Was würden wohl seine Kommilitonen aus Harvard davon halten? Wie sehr würden sie lachen? Es war ihm egal. Jeder Job war besser als sein alter, und die meisten seiner Freunde aus Harvard waren zutiefst unglücklich in ihrem Beruf. Er dagegen fühlte sich wie befreit.
Agnes Schmidt war entweder nicht zu Hause oder wollte ihnen nicht aufmachen. Also gingen sie wieder. Während er fuhr, sagte David: »Wally, ich würde jetzt wirklich gern nach Hause zu meiner Frau. Ich habe sie in den letzten fünf Jahren kaum gesehen. Ich muss einiges nachholen.«
»Sie ist sehr hübsch. Ich kann es Ihnen nicht verdenken.«
14
Eine Woche nach Einreichung der Klage hatte die Kanzlei Mandate für insgesamt acht Todesfälle, eine beachtliche Anzahl, die sie mit Sicherheit reich machen würde. Da Wally es so oft sagte, glaubten inzwischen alle, dass jeder Fall etwa eine halbe Million Dollar Nettohonorar für Finley & Figg bedeutete. Seine Berechnungen waren höchst zweifelhaft und beruhten auf Annahmen, für die in der Realität kaum eine Grundlage vorhanden war – zumindest jetzt, in der Anfangsphase des Verfahrens –, doch die drei Anwälte und Rochelle gewöhnten sich langsam daran, in dieser Größenordnung zu denken. Krayoxx machte im ganzen Land Schlagzeilen, von denen keine einzige positiv war, und dem Medikament und damit Varrick Labs schien eine düstere Zukunft bevorzustehen.
Die Kanzlei hatte hart gearbeitet, um die Fälle zu bekommen, und so war es ein Schock, als den Anwälten klar wurde, dass sie einen davon vielleicht verlieren würden. Eines Morgens kam eine überaus schlecht gelaunte Millie Marino in die Kanzlei und wollte mit Mr. Figg sprechen. Sie hatte ihn mit der Abwicklung des Nachlasses ihres Mannes beauftragt und war dann widerwillig damit einverstanden gewesen, sich der Klage gegen Varrick Labs anzuschließen. In Wallys Büro erklärte sie hinter geschlossener Tür, sie könne nicht verstehen, dass einer der beiden Anwälte der Kanzlei – Oscar – ein Testament aufgesetzt habe, mit dem ihr ein erheblicher Vermögenswert des Nachlasses – die Baseballkartensammmlung – vorenthalten werde, und dass jetzt der andere Anwalt – Wally – die Nachlassabwicklung für ebendieses Testament übernehme. Ihrer Meinung nach sei das ein eklatanter Interessenkonflikt und noch dazu ausgesprochen schäbig. Sie verlor die Fassung und begann zu weinen.
Wally erklärte, dass Anwälte an die Schweigepflicht gebunden seien. Als Oscar das Testament aufgesetzt habe, habe er tun müssen, was Chester wollte, und da Chester die Baseballkarten bis zu seinem Tod geheim halten und an seinen Sohn Lyle vererben wollte, habe das eben so im Testament stehen müssen. Oscar habe keinerlei Informationen über Chester und dessen Testament an Dritte weitergeben dürfen.
Millie sah das nicht so. Als seine Ehefrau habe sie ein Recht darauf gehabt, über sämtliche Vermögenswerte Bescheid zu wissen, vor allem, wenn es etwas so Wertvolles sei wie die Baseballkarten. Sie habe bereits mit einem Händler gesprochen, und allein die Shoeless-Joe-Karte sei mindestens einhunderttausend Dollar wert. Die gesamte Sammlung könne durchaus einhundertfünfzigtausend Dollar bringen.
Wally waren die Baseballkarten egal, und der Nachlass kümmerte ihn einen Dreck. Die fünftausend Dollar Honorar für die Abwicklung des Nachlasses waren inzwischen nur noch Peanuts. Hier stand ein Krayoxx-Fall auf dem Spiel, und er würde alles sagen oder tun, um ihn zu behalten. »Ganz unter uns«, sagte er mit getragener Stimme, während sein Blick zur Tür ging, »ich wäre anders vorgegangen, aber Mr. Finley ist noch von der alten Garde.«
»Und was heißt das?«, fragte sie.
»Er ist ein
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