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Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition)

Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition)

Titel: Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Jötten
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immer nach Vorerkrankungen fragen und je nach der körperlichen Verfassung seiner Schüler das Programm und die Übungen anpassen.

FREDERIK JÖTTEN

Mehr Haut, mehr Vitamin D!
    Im Winter haben viele Menschen Vitamin-D-Mangel. Sonne hilft dagegen – aber wer an Ecken und in Parks Strahlen einsammelt, bekommt Ärger.
    Auf diesem Weg möchte ich zwei Dinge klarstellen. Erstens: Ich bin nicht arrogant, auch wenn das neulich im Park so aussah. Zweitens: Ich stalke nicht diese blonde Frau mit der blauen Funktionsjacke, selbst wenn ich ziemlich lange in ihre Richtung gestarrt habe. Es lag einzig am Vitamin D. Die Sonne schaffte es an jenem Tag ein letztes Mal, sich durch den Nebel zu brennen, bevor sie sich für Wochen verabschieden sollte.
Sie
war der Grund, warum ich mich auf den Weg gemacht hatte.
    Spazieren zu gehen, ist gesellschaftlich akzeptiert. Andere Arten, das Gesicht in die Sonne zu halten, sind es nicht. Und das, obwohl heute bekannt ist, dass Mitteleuropäer im Herbst und Winter oft zu wenig Vitamin D im Körper haben, was das Risiko für verschiedene Krankheiten wie Darmkrebs und Osteoporose erhöht.
    Dabei ist es so leicht: Wir können selbst genügend Vitamin D produzieren – unsere Haut braucht dafür nur ausreichend UV -Licht, und das gibt es zwischen Oktober und März selbst an sonnigen Tagen kaum, geschweige denn, wenn das Wetter trüb ist.
    Um dem Mangel zuvorzukommen, habe ich schon versucht, mich an eine Straßenecke zu stellen und einfach die Sonne zu genießen. Aber ich stand im Weg, die Menschen hasteten an mir vorbei, mit Blicken, die sagten: Hat der denn nichts Besseres zu tun?
    Das machte mich unruhig, ich bekam das Gefühl, etwas tun zu müssen. Irgendwann werde ich eine Bewegung fürs Eckenstehen gründen, vorerst aber lasse ich mich von der Gesellschaft zum Spazierengehen zwingen – wie eben an jenem Nachmittag.
    Zuerst war es dunstig, die Sonne konnte sich nicht durchsetzen. Ich setzte meine Brille ab, um die Absorptionsfläche zu vergrößern. Mehr Haut, mehr Vitamin D! Zusätzlich blickte ich gen Himmel, damit der Schatten meiner Nase nicht auf mein Kinn fallen und dort einen Vitamin-D-Blackout verursachen konnte.
    Ich hörte die Schritte der Menschen, die an mir vorbeigingen, aber ich sah weiter nur nach oben. Als ich die Stimme einer Bekannten hörte, die ich mit erhobener Nase und entrücktem Blick gerade passiert haben musste, war es schon zu spät. Ich kenne sie nicht so gut, ich konnte nicht umkehren und ihr dieses Setting erklären. Außerdem hätte ich dafür meinen Kopf runternehmen müssen, raus aus meiner perfekten Lichtlage. Besser ab jetzt als hochnäsig gelten, als Mangelerscheinungen in Kauf zu nehmen.
    Ich ging weiter, auf einmal brach die Sonne durch den Nebel. Leider stand sie ausgerechnet jetzt in meinem Rücken, ich hatte nichts von ihr, zumindest kein Vitamin D. Es sei denn, ich hätte ein rückenfreies Top an oder eine dieser pofreien Hosen. Aber für beides wäre es jetzt zu kalt gewesen. Also drehte ich meinen Kopf um 90 Grad nach links, sodass wenigstens eine Gesichtshälfte Sonne abbekam. Ich weiß, dass das gefährlich ist, ich wäre auf diese Art beinahe schon mal gegen ein parkendes Auto gelaufen, aber jetzt wurde es noch blöder: Auf der Wiese zehn Meter neben mir ging eine Frau, Mitte 30 , blonde Haare zu einem Dutt getürmt, blaue Funktionsjacke. Ich
musste
sie anschauen: Weil sie in dieselbe Richtung ging (und es wegen des Sonnenstandes keine Alternative zu diesem Weg gab), hatte ich keine Wahl. Zuerst blickte sie freundlich zurück, dann in die entgegengesetzte Richtung, dann stur geradeaus. Ich versuchte, immer zu lächeln, wenn sie in meine Richtung sah. Irgendwann wirkte das möglicherweise nicht mehr echt, weil mein Nacken aufgrund des stetig gedrehten Kopfes langsam schmerzte.
    Plötzlich machte die Frau auf dem Absatz kehrt und ging schnell in die entgegengesetzte Richtung. Es sah nach Flucht aus. Ich hätte ihr gerne erklärt, warum ich sie angeschaut hatte und dass es aus Gründen der Osteoporose-Vorsorge gerade für sie sehr sinnvoll gewesen wäre, in die gleiche Richtung zu gucken wie ich. Aber so schnell, wie sie verschwand, hätte ich brüllen müssen. Und wie leicht versteht man auf die Entfernung statt «Osteoporose» «offene Hose» – und dann säße ich jetzt wahrscheinlich im Knast.
    «Einfach mal das Gesicht in die Sonne halten.»
    Jörg Reichrath, Professor für Dermatologie an der Universität des Saarlandes, über

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