Vertrau deinem Herzen
anzusehen. Kann sein, dass das ein großer Fehler ist, ich weiß es nicht. Manchmal habe ich das Gefühl, ein Kind zu erziehen ist ein einziges soziales Experiment, bei dem man leider keine Kontrollgruppe zur Überprüfung der Ergebnisse hat.“
Callie versank wieder in Schweigen, doch Kate spürte ihren Wunsch zu reden. „Wie läuft es bei dir?“
„Meine Diätberaterin findet, dass ich mein Tagebuch zu schlampig führe“, berichtete Callie. „Sie will, dass ich mich mehr anstrenge und alle meine Gedanken und Gefühle aufschreibe.“
„Und, tust du das jetzt?“
Callie zuckte die Schultern. „Meine Gedanken langweilen mich.“
„Das kann ich mir nicht vorstellen.“
„Ha! Ich sollte es ,Tagebuch einer Heulsuse’ nennen. Langweilig, ich sag’s dir. Blutzucker testen, essen, arbeiten, schlafen ... und alles wieder von vorn.“ Sie warf Kate aus dem Augenwinkel einen Blick zu, dann schaute sie zu Boden. „Ich habe auch noch etwas anderes geschrieben.“
„Und was?“
„Es ist einfach nur dumm.“ Sie knetete ihre Hände. „Manchmal wünsche ich mir, ich hätte ein Leben wie Aaron und du. Ein Leben, das mir eine Chance gibt.“ Ihre Stimme wurde noch leiser. „Und die ganze Liebe.“
Kate hielt den Atem an und hielt die Worte zurück, die sie so gerne sagen wollte. Mach langsam! ermahnte sie sich. „Du musst bald ein paar Entscheidungen treffen“, sagte sie stattdessen. „Im Herbst fängt die Schule wieder an.“
„Auf gar keinen Fall. Ich suche mir einen Job.“
„Dein Job ist es, eine gute Schülerin zu sein.“
„Als wenn mir das helfen würde.“
„Besser, als schwarzzuarbeiten und sich zu verstecken“, erwiderte Kate. „Ich weiß, dass es schwer ist, Callie, aber du musst dich den Tatsachen stellen. Am Ende des Sommers musst du dich entscheiden, was du bezüglich deiner Wohnsituation unternehmen willst.“
„Ich muss gar nichts entscheiden. Ich nehme jeden Tag so, wie er kommt. Genauso wie ich es gemacht habe, bevor ich euch getroffen habe.“
„Du schläfst also in ungeheizten Häusern“, erinnerte Kate sie. „Hungerst den einen Tag, isst zu viel am anderen.
Laut Dr. Randall ist das einer der Hauptauslöser für deinen Zustand gewesen.“
„Ich bin es leid, ständig meinen verdammten Zustand unter die Nase gerieben zu bekommen“, gab Callie wütend zurück. „Ich habe es satt, über meine verdammte Zukunft nachzudenken.“
„Hast du Angst?“
„Ach, vergiss es, Kate ... vergiss es einfach.“ Callie sprang auf und stapfte davon.
Kate weigerte sich, sich davon verletzen zu lassen. Stattdessen stand sie auf und ging langsam auf Callie zu. Sie berührte sie nicht, aber stellte noch einmal ihre Frage: „Hast du Angst?“
Callies Schulter sackten nach unten. „Ständig.“ Sie drehte sich um, ihr Gesicht war bleich und vor Furcht ganz starr. „Hör zu. Ich habe gestern sehr lange mit meiner Beraterin gesprochen. Sehr, sehr lange.“
Endlich kommt die Wahrheit ans Licht, dachte Kate. Jetzt war es so weit.
„Wir haben über meine Möglichkeiten für das kommende Jahr gesprochen. Sie will, dass ich über eine betreute Wohngemeinschaft nachdenke.“
Kate ließ sich keine Regung anmerken, auch wenn ihr Herz hämmerte. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, Callie mit anderen Jugendlichen zusammenwohnen zu lassen, die sicher noch zäher waren als sie. „Was denkst du darüber?“, fragte sie ganz ruhig.
„Jetzt klingst du wie die verdammte Psychologin.“
„Ich versuche nicht, dich zu psychologisieren. Ich will es einfach nur wissen.“
Callie tigerte am Strand auf und ab. „Immerhin muss ich mich dann nicht wieder an eine neue Familie gewöhnen. Das ist gut, denn ich bin nicht sonderlich gut darin, mich in Familien einzuleben.“
Kate zwang sich, ruhig zu bleiben. Es war an der Zeit. Sie betete, dass sie es schaffen würde, Callie von ihrer Idee zu erzählen, ohne das Mädchen gleich zu verschrecken. „Nun, dem würde ich widersprechen.“
„Tja, danke ... Aber ich schätze, bis ich das Geld zusammen habe, um mir was Eigenes leisten zu können, wird es die Wohngemeinschaft. Alle, mit denen ich gesprochen habe, sagen, dass das gar nicht so schlimm ist, wie es sich anhört.“ Sie klang, als wäre sie ganz fürchterlich bemüht, es nicht an sich heranzulassen.
„Das Einzige, was zählt“, erwiderte Kate, „ist, die richtige Entscheidung für dich zu treffen.“
„Ich weiß aber nicht, wie man das macht.“ Die Stimme des Mädchens zitterte.
„Was
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