Vertrau deinem Herzen
aufsteigen, die dumpfe Kapitulation. Genau dieser Zustand hatte in ihm überhaupt erst den Wunsch geweckt, in die Anonymität abzutauchen. Ihm gingen tausend Dinge durch den Kopf, die er antworten könnte, aber nichts davon schien ihm angemessen. Also schwieg er. Doch die Auseinandersetzung hing wie eine dicke schwarze Wolke über ihnen, als Kate die West Seattle Bridge überquerte und in eine hübsche Wohngegend mit pastellfarben gestrichenen Häusern und zu vielen am Bürgersteig geparkten Autos einbog.
Er warf einen Blick in den Seitenspiegel. Er war sich ziemlich sicher, dass sie verfolgt worden waren, aber das war jetzt auch schon egal. Für jeden, der sich das Kennzeichen gemerkt hatte, war es nur eine Frage von Minuten, Kates Adresse herauszufinden.
Als Kate in die stille, steile Sackgasse mit den großen Ahornbäumen einbog, hatte sich alles verändert. Das hier war Callies neues Zuhause, erinnerte sich JD. Egal, was auf der Fähre passiert war – sie mussten das erst einmal hinter sich lassen und Callie an die erste Stelle setzen. Er hasste es, dass seine Berühmtheit sie überhaupt vom Mittelpunkt des heutigen Tages verdrängt hatte; das war eine der hässlichen Seiten des Ruhms. Kate schien allerdings genauso entschlossen zu sein wie er. Ohne überhaupt darüber gesprochen zu haben, schoben sie das Drama von der Fähre beiseite und richteten ihre Aufmerksamkeit auf das gleiche Ziel: dass Callie sich in ihrem neuen Heim wohlfühlte.
Als er Kates Haus sah, wusste JD, dass er sich keine Sorgen hätte machen müssen. Genau wie das Haus am See wirkte auch dieses direkt wie aus einem Bilderbuch: ein schindelgedeckter Bungalow mit einem weißen Lattenzaun und einer Rosenhecke. Es war eines von nur vier Häusern in dieser Sackgasse. Die anderen waren ähnlich charmant, und auf der anderen Straßenseite trat ein Nachbar heraus und winkte ihnen freudig zu.
Callie nahm alles mit glänzenden Augen auf, diese neue Welt, die jetzt auch ihre seine würde. In ihrem Blick lag so ein sehnsüchtiger Hunger, dass JD sie warnen wollte, sich von all dem nicht zu sehr einfangen zu lassen. Er kannte sich mit dem Unerreichbaren aus, mit der Sinnlosigkeit von Hoffnung und wie sie sich in Enttäuschung verwandeln konnte. Aber er wusste, dass seine Lebenserfahrung auf taube Ohren stoßen würde, als Aaron nach Callies Hand griff und sie mit sich zum Haus zog, um ihr seine Welt zu zeigen.
„Beeil dich, Mom!“, drängte er. Selbst der Hund sprang wild hin und her und kratzte an der Tür.
Kate schloss auf und ließ Aaron hineinstürmen, der die immer noch überwältigte Callie mitriss. Angefüllt mit nervöser Energie, öffnete Kate ein Fenster, um die laue Nachmittagsbrise einzulassen, bevor sie dann durch die Räume wanderte, die mit Familienfotos, Büchern und allem Komfort angefüllt waren, den ein ordentliches Haus brauchte. „Glaubst du, es wird Callie hier gefallen?“ Sie bemerkte seinen Gesichtsausdruck. „Was?“
„Du lebst in einem Disneyfilm, Kate. Was sollte sie daran nicht mögen?“
„Das stimmt.“ Callie betrat den Raum.
Sie schien allerdings nicht gekränkt zu sein. Im Moment wirkte sie einfach nur überwältigt und hoffnungsvoll. Er verspürte Bewunderung für dieses Mädchen. Nach allem, was Callie mitgemacht hatte, hatte sie die Hoffnung dennoch nicht verloren.
„Es ist großartig!“, jubelte sie. „Einfach nur ... großartig.“
„Wirklich?“, fragte Kate. Ein Strahlen erhellte ihr Gesicht, und JD fühlte schmerzlich, wie sehr er sie liebte.
„Total!“ Callie scharrte mit den Füßen. Plötzlich sah sie so alt aus, wie sie war – jung und etwas unbeholfen. „Ahm, ich wollte euch noch was erzählen. Jetzt, wo ihr hier zusammen seid, habe ich das Gefühl, es sagen zu müssen.“
Kates Lächeln schwand und machte einem Ausdruck der Sorge Platz. „Ist alles in Ordnung mit dir?“
„Ja, sicher. Das ist es ja ... Wisst ihr, was diesen Sommer passiert ist, meine Krankheit und all das ... Am Anfang hat es sich angefühlt wie die Katastrophe des Jahrhunderts. Ich dachte, mein Leben wäre so gut wie vorbei oder dass es von jetzt an zumindest nicht mehr sonderlich schön werden würde.“
„Callie ...“ Kate trat einen Schritt vor, blieb dann aber stehen, als ob sie Angst davor hätte, was als Nächstes kommen würde. JD wollte sie beruhigen, aber er wusste, dass Callies nächste Worte das tun würden.
„Wie auch immer“, fuhr sie fort. „Es ist dann alles ganz anders geworden. Ich will
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