Vertrau deinem Herzen
unterbrechen.
Kate wollte glauben, dass Callie bei ihm in Sicherheit war. Aber ein gesundes Mädchen brach nicht ohne Grund zusammen.
4. TEIL
„Man kann nichts ändern, das man nicht annimmt. Verurteilung befreit nicht, sie unterdrückt.“ Carl Gustav Jung, Gesammelte Werke
20. KAPITEL
I ch bleibe nicht hier!“ Gefangen im gleißenden Licht der Deckenbeleuchtung, fühlte Callie, wie die kalte Faust der Panik nach ihr griff. Ihr Brustkorb wurde eng. „Sie können mich nicht zwingen hierzubleiben!“, fauchte sie den Arzt an oder die Schwester oder wer auch immer unter der blauen OP-Kleidung steckte. Sie wollte dem engen, beängstigenden Raum und den an ihr herumfummelnden Fremden entkommen, aber sie wusste nicht genau, was ihre Rechte waren. War sie als Ausreißerin registriert? Würde man sie den Behörden übergeben? Ins Jugendgefängnis schicken? Es gab keine wirklichen Optionen für sie außer ... wieder abzuhauen.
„Wir werden uns gut um dich kümmern“, entgegnete die Frau.
„Sie können mich nicht zwingen hierzubleiben! Ich bin achtzehn.“
„Nein, bist du nicht.“ Die Frau sprach leise, aber bestimmt.
Callie spürte ein eiskaltes Prickeln auf ihrer Schädeldecke. Zuerst konnte sie nicht sprechen. Sie fühlte sich gefangen. Sie wollte schreien, dass sie sehr wohl achtzehn war. Alt genug, um zu wählen. Alt genug, sich den Plastikclip vom Finger zu ziehen, die Infusion zu entfernen und all dem Lärm und Licht dieses seltsamen, einschüchternden Ortes den Rücken zu kehren.
Aber irgendwie hatte die Frau in der OP-Kleidung ihr Geheimnis herausgefunden.
„Was meinen Sie?“, fragte Callie. „Ich weiß ja wohl, wie alt ich bin.“
„Ich auch.“
Feindselig kniff Callie die Augen zusammen. „Woher wollen Sie das wissen?“
„Ich bin Ärztin. Es ist mein Job, so etwas zu wissen. Ich heiße Dr. Randall. Ich bin Notfallärztin und ein Naturtalent, wenn es darum geht, an Patientendaten zu kommen.“
Callie überlief ein kalter Schauer. Sie musste hier raus, und zwar sofort! Aber ehrlich gesagt, hatte sie Angst davor, die Infusion zu entfernen. Was ziemlich ironisch war, wenn man bedachte, was sie in der Vergangenheit alles überlebt hatte. Und nun hatte sie Angst, die weißen Pflaster abzureißen und sich eine tief in ihrem Arm steckende Nadel herauszuziehen. Sie hatte Schmerzen ertragen, die andere Menschen ihr zugefügt hatten, aber sie hatte eine tiefe und sehr wahrscheinlich gesunde Abneigung dagegen, sich selber wehzutun. In Filmen wurden Infusionen immer mit einer mutigen, schnellen Handbewegung herausgerissen, aber jetzt, wo sie sich selber in der Situation sah, schreckte sie davor zurück. Was, wenn aus dem Loch in ihrem Arm Blut sprudelte? Und selbst wenn sie es schaffen würde, sich von dem Tropf zu befreien – was dann? Sie konnte nicht einfach davonlaufen. Sie trug nur ein blaues Papierhemdehen. Und sie hatte keine Ahnung, was man mit ihren Kleidern gemacht hatte. Oh Mann! Die hatten ihre Klamotten weggenommen. Wie demütigend war das denn?
Luke, dachte sie. Luke würde sie retten. Aber gleichzeitig wollte sie das gar nicht. Wenn er sie jetzt sehen würde, würde er vermutlich schreiend bis zur nächsten Stadt laufen.
Sie versuchte einen anderen Kurs. „Ich habe kein Geld, also werde ich die Krankenhausrechnung nicht bezahlen können.“
„Mach dir deswegen keine Sorgen. Das ist bereits alles geregelt.“
„Mr Harris?“ Callie musste nicht einmal darüber nachdenken.
„Das weiß ich nicht.“
Callie wusste es. Es musste JD gewesen sein. Natürlich! Sie war dankbar, dass er sich um sie kümmerte, aber auch frustriert. Sie wollte nicht wie ein Fürsorgefall behandelt werden, auch wenn sie genau das war. JD schuldete ihr gar nichts, und es gab keinen Grund, warum er sich ihrer annahm, außer dass er einfach ein guter Mensch war. Aber sie brauchte keinen verdammten Helden. Sie musste einfach nur hier raus.
„Machen Sie mich los“, sagte sie zu der Frau und zeigte auf die Infusion. „Und geben Sie mir meine Sachen zurück. Ich gehe jetzt.“
„Bevor du irgendeine Entscheidung triffst, solltest du deinen Zustand kennen.“ Die Frau sprach so ruhig, dass es schon beinahe nervte. Sie schenkte ihr ein schnelles professionelles Lächeln. „Du bist hier eingeliefert worden, weil du zusammengebrochen bist. Das alleine ist schon bedenklich genug, aber hinzu kommt noch dein Zustand.“
„Mein Zustand?“ Callie schaute sie zweifelnd an. Ihr Zustand war offensichtlich: Sie
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