Vertrau mir, Tara
streifte sich das weite weiße T-Shirt über und blickte hinüber zur Jacht. Es war immerhin möglich, dass Adam zu viel getrunken hatte und sich ausschlief. Aber weshalb sollte er sich einen Rausch antrinken, nur weil sie Meinungsverschiedenheiten gehabt hatten? Wahrscheinlich machte sie sich nur etwas vor.
Ihr war jedoch klar, dass sie sich bei ihm entschuldigen musste. Das war eigentlich gar kein Problem. Sie brauchte nur zu ihm zu gehen und ihm zu erklären, sie sei über den versuchten Einbruch so schockiert gewesen, dass sie sich ihm gegenüber völlig falsch benommen habe.
Außerdem wollte sie ihm mitteilen, dass sie am nächsten Tag nach Hause fahren würde. Dazu hatte sie sich entschlossen, weil es ihrer Meinung nach das einzig Richtige war.
Sie ging zur Anlegestelle und rief: “Hallo, Sie da auf der
Caroline!
Darf ich an Bord kommen?”
Aber niemand antwortete, auch Buster bellte nicht.
Tara kam näher und rief noch einmal. Nichts rührte sich. Ohne nachzudenken, kletterte sie an Deck und stieg die Kajütentreppe hinunter. Dann blickte sie sich um. Im Vergleich zur
Naiad
war das hier ein schwimmender Palast. Es gab zwei Kajüten für je zwei Personen, eine luxuriös eingerichtete Kombüse und einen Salon, der ganz mit Holz verkleidet war.
Dass eine so wunderschöne Jacht hier an diesem abgelegenen Ort lag, war reine Verschwendung. Tara stellte sich vor, darin den Fluss hinunter bis aufs offene Meer zu segeln. Sie glaubte sogar, die Wellen zu hören, wie sie an den Bug klatschten, und die frische, salzhaltige Luft einzuatmen.
Auch das Essen in der Kombüse zuzubereiten und im Steuerhaus das Ruder selbst einmal zu übernehmen, wäre sicher ein Vergnügen. Nachts würden sie in irgendeiner einsamen Bucht ankern, und Tara malte sich aus, in der bequemen Koje in der größeren Kabine in Adams Armen zu schlafen.
Träum ruhig weiter, sagte sie sich plötzlich und biss sich auf die Lippe. Das Recht, in seinen Armen zu liegen, hatte nur die Frau, die er heiraten wollte.
Langsam ging sie in den Salon zurück und betrachtete die Polsterbänke mit den vielen Kissen an den Schotten und die beiden bequemen Sessel. Der große Ausziehtisch war mit viel Papier bedeckt.
Alles Skizzen und Entwürfe, stellte Tara fest und nahm einige davon in die Hand. Als sie die Terrassenhäuser erblickte mit den Blumenkästen, den hübschen Giebeln und den geparkten Autos, rümpfte sie die Nase. Es sah perfekt aus und war sehr sorgfältig gezeichnet.
Irgendwie kam ihr die Gegend jedoch bekannt vor. Ein anderes Blatt zeigte dieselbe Überbauung von der Seite, und ein drittes eine maßstabgerechte Aufteilung. Es waren drei Wohnblocks, die um einen Platz herum angeordnet waren. Und rechts unten in der Ecke des Blatts war zu lesen: “Überbauung
Dean’s Mooring
.”
Tara stand fassungslos da und legte die Blätter hin. Dann hielt sie sich so krampfhaft am Tisch fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Adam hatte behauptet, er sei technischer Zeichner. Aber das war nur die halbe Wahrheit. Er war Architekt und aus einem ganz bestimmten Grund hier.
Wenn er
Dean’s Mooring
kaufte und Ferienwohnungen dort baute, änderte sich hier alles, Silver Creek würde den ganz eigenen Charakter verlieren. Der Lärm, der viele Verkehr, die vielen Parkplätze, das alles wäre unerträglich. Und natürlich würden sich immer mehr Boote und Jachten auf dem Fluss tummeln. Man brauchte neue und größere Anlegestellen und Zufahrtsstraßen.
Außerdem würde das Haus von Taras Eltern an Wert verlieren. Noch schlimmer war, dass es dann keine Ruhe und keinen Frieden mehr gäbe.
Als sie die Mappe unter dem Tisch entdeckte, bückte sie sich und zog sie hervor. Vielleicht fand sie darin noch mehr Entwürfe und Hinweise, wie weit seine Pläne schon gediehen waren.
Doch darin bewahrte er offenbar seine Aquarelle auf. Obenauf lag das Bild vom Haus ihrer Eltern. Tara nahm es heraus und betrachtete es. Wie konnte er das Haus und die ganze Umgebung so stimmungsvoll und sensibel malen, wenn er vorhatte, alles zu zerstören?
Aber vielleicht gerade, sozusagen als Erinnerung, überlegte Tara und stutzte plötzlich. Er hatte etwas verändert an dem Bild.
Das Haus lag noch genauso da im goldenen Licht, doch der Vorhang an einem der oberen Fenster war geteilt – und ein nacktes, sehr schlankes Mädchen stand dort. Den Kopf schien es in die Sonne zu heben, und die Hände hatte es auf die Brüste gelegt. Es war eine ungemein sinnliche, erotische Studie, und das
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