Vertrau mir
mein Job, mich in Gefahr zu begeben.«
»Schon möglich. Doch es ist nicht mein Job, Ihnen dabei zu helfen«, erwiderte Anna lässig.
Deutlich verärgert fluchte ihr Gegenüber. »Verdammt noch mal!« Maikes Hand schlug auf den Tisch. Nicht zu kräftig, aber immerhin kräftig genug, dass der Kaffee in der Tasse bedenklich schwappte. »Wenn Sie nur immer so umsichtig gewesen wären. Dann würde der Wachmann heute noch leben.«
Maikes Vorwurf traf Anna völlig unvorbereitet. Und er traf tief. Denn es war absolut unfair, ihn an dieser Stelle anzubringen. Anna sah Maike eine Weile schweigend an. Die erwiderte ihren Blick trotzig. »Gut. Wie Sie wollen« sagte Anna schließlich. »Nur kommen Sie später nicht und sagen, ich hätte Sie warnen müssen. Ich habe es mehr als ein Mal versucht. Aber Ihnen ist nicht zu helfen. Sie gehören zu den Menschen, die man vor allem vor sich selbst schützen muss. Das kann nicht meine Aufgabe sein.«
Anna war enttäuscht und wütend. Enttäuscht von Maike, dass diese sie erneut so attackierte. Wütend auf sich selbst, dass sie für einen Moment wirklich vergaß, mit wem sie hier saß. Welchen Beruf die Frau hatte und welchen Ehrgeiz. Das ganze Eingangsgeplänkel diente lediglich dazu, sie einzuwickeln. Genau wie Maikes Lächeln. Und obwohl sie es eigentlich besser hätte wissen müssen, fiel sie doch darauf herein.
Maike hatte nie die Absicht, mit ihr über diesen Plan zu diskutieren. Sie hatte nur die Absicht, sie dazu zu bringen, ihr zu helfen, so oder so. Und als die behutsame Methode nicht hinhaute, wurde wieder der Holzhammer hervorgezogen.
Es blieb Anna nichts anderes übrig, als zu konstatieren, dass sie alles versucht hatte, Maike zurückzuhalten und es nicht ihr Problem war, wenn die Kommissarin jede Warnung permanent in den Wind schlug. Wenn sie unbedingt die Heldin spielen wollte, bitte schön.
Maike wusste in dem Moment, da sie Anna den Tod des Wachmannes zum zweiten Mal vorhielt, dass sie das nicht hätte tun dürfen. Nicht so! Anna hatte in der Vergangenheit sicher Fehler gemacht. Doch sie stellte sich den Konsequenzen. Und wie man deutlich sehen konnte, wollte sie ihre Fehler nicht wiederholen. Da kommst du und stocherst in den alten Wunden herum. Das war ziemlich fies. Maike verspürte für einen Moment ein schlechtes Gewissen. Doch das hielt nur sehr kurz an. Schließlich hatte sie Anna jetzt dort, wo sie diese haben wollte. Wenn der Fall gelöst und die Manager befreit waren, konnte sie sich ja bei Anna entschuldigen. Auf gewisse Weise war es ja nett, dass die sich so besorgt zeigte. Aber im Grunde empfand Maike es eher als störend. Anna konnte die Entscheidung darüber, ob eine Sache zu gefährlich für sie war, getrost ihr überlassen. Immerhin blickte sie auf einige Jahre Erfahrung im Polizeidienst zurück. Jahre, in denen sie gelernt hatte, auf sich aufzupassen.
Trotzdem lenkte Maike ein. »Glauben Sie mir, ich weiß es zu schätzen, dass Sie sich Sorgen machen. Aber ich arbeite nun mal in einem Job, in dem ich auf mich selbst keine Rücksicht nehmen kann.«
»Oh nein. Es ist nicht Ihr Job. Es ist Ihr Ehrgeiz, der Sie treibt«, stellte Anna, wie Maike zugeben musste, sehr richtig fest. »Was ist mit Ihrer Familie? Sie könnten wenigstens denen zuliebe ein wenig vorsichtiger sein.«
»Ich bin unabhängig und nur mir selbst verantwortlich.« Der plötzliche Wechsel ins Private behagte Maike nicht. »Ich sehe nichts Schlechtes darin, ehrgeizig zu sein.« Um von ihrer Person abzulenken, fragte sie: »Denken Sie, das hier ist besser?« Dabei machte sie eine ausholende Handbewegung. »Sich zurückziehen und allen Problemen aus dem Weg gehen?« Es klang leicht herausfordernd, weil Maike vermeiden wollte, dass Anna bemerkte, wie sehr sie die Antwort auf die Frage interessierte. Die Erkenntnis überraschte Maike: Ja, sie wollte mehr über Anna Ravensburg erfahren. Wie sie dachte, warum sie so viel für ihre Ideale geopfert hatte, ob sie ihre Vergangenheit bereute . . .
Noch ehe Maike eine Antwort auf die Frage fand, warum sie das interessierte, erwiderte Anna: »Ich habe mir diese Einsamkeit nicht ganz freiwillig ausgesucht. Abgesehen davon, gehe ich den Problemen keinesfalls aus dem Weg. Ich vermeide nur unnötiges Risiko. Auf die Gefahr hin, dass Sie sich die Ohren zuhalten, weil ich schon wieder damit anfange: Die radikale Tierschützerszene ist gefährlich. Nach meinem Ausstieg, der mich automatisch zum Verräter machte, sah ich mich nur mit unzähligen
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