Vertrau mir
du zu Anna stehst.
An dieser Stelle der Überlegungen öffnete Maike ihre Augen. Schluss damit! rief sie sich zur Ordnung und hielt nach Markus Ausschau. Wo blieb er denn so lange? Maike stieg aus dem Wagen, ging zum Schulhof. Dort stand an einer Mauer eine Gruppe Jugendlicher. Sie ging zu ihnen. Vielleicht hatten sie Maria gekannt.
»Hallo«, rief Maike ihnen zu. Sie drehten sich zu ihr um. Gelangweilte Gesichter. »Mein Name ist Roloff, ich bin von der Kripo. Ihr habt doch sicher auch von Marias Tod gehört.«
»Na klar, jeder hat das«, sagte einer der Jungen.
»Hat jemand von euch Maria näher gekannt? Wisst ihr oder habt ihr mal gesehen, ob sie Drogen nahm oder Alkohol trank? Habt ihr irgendwelche Streits mitbekommen? Mit Lehrern oder anderen Schülern?«
Die Jungen und Mädchen sahen einander an, schüttelten die Köpfe oder zuckten mit den Schultern.
»Niemand?« fragte Maike. »Weiß einer, ob Maria einen festen Freund hatte?«
»Maria ging mit einem Jungen nie länger als ein oder zwei Monate«, sagte eines der Mädchen. »Das wissen alle. Manchen der Jungs war es recht, andere dachten, bei ihnen würde es anders und litten, als Maria sie abservierte.«
»Wer war ihr letzter Freund?«
»Das war Ralf Sander.«
»Ging sie auch mal mit Tino Nolte?«
»Ja, ist aber schon ’ne Weile her.«
»Wie lange?«
»Drei, vier Monate ungefähr.«
»Und war Tino einer derjenigen, die das Ende leicht nahmen?«
Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Das kann man nun wirklich nicht sagen. Maria und ich waren nicht befreundet, aber wir gingen in dieselbe Trainingsgruppe. Dort prahlte sie öfter mit ihren Jungsgeschichten. Ich fand es nicht besonders fair, was sie machte. Doch mal ehrlich, wie viele Typen gehen auf dieselbe Art mit den Mädels um, und das finden dann alle normal. Jedenfalls, als Maria mit Tino fertig war, erzählte sie, dass er sie verfolgte.«
Maike horchte auf. »Was erzählte sie genau?«
»Tino hing den ganzen Tag in der Schule in ihrer Nähe rum. Weil er ja ungefähr ihren Tagesablauf kannte, tauchte er oft dort auf, wo Maria war. Er belagerte sie praktisch. Aber Maria war nicht blöd. Nach einigen Tagen hat sie sich einen Neandertalertypen aufgerissen, der Tino in die Mangel genommen hat.«
Das war mehr als interessant. Tino verschwieg ihnen nicht nur seine Beziehung mit Maria, sondern auch die nachfolgend erlittene Demütigung. Sein Groll auf Maria musste dementsprechend groß gewesen sein. Das war ein gutes Motiv.
»Ich wusste, dass Sie mich verdächtigen, wenn Sie davon erfahren. Deshalb habe ich nichts gesagt«, verteidigte sich Tino hilflos. Er saß wieder auf dem Stuhl vor Pelzers Schreibtisch, wie bereits vor zwei Stunden.
»Da hast du richtig gedacht«, erwiderte Markus. »Und nun mach den Mund auf.«
»Aber ich war’s wirklich nicht. Ich schwöre.«
»Und du hast die anderen aus deiner Klasse auch nicht in ihrer Aussage beeinflusst«, sagte Maike mit deutlicher Ironie in der Stimme.
»Doch«, gab er zu. »Das habe ich. Weil ich Schiss hatte. Ich dachte, dass wäre der einzige Ausweg.«
»Warum tun die anderen so was für dich? Bist du so ein netter Kerl?«
»Ich habe jedem von ihnen mehr als einmal aus der Patsche geholfen«, erwiderte Tino. »Bei Hausaufgaben, Tests oder ich weiß nicht was.«
Maike bezweifelte, dass das seine Kameraden zu einer Falschaussage in einem Mordfall bewegt hätte. Außerdem fand sie, Tino hatte mit der Antwort eine Sekunde zu lange gezögert. Für sie stand fest: »Du hast deine Mitschüler erpresst.« Die Frage war nur, womit.
»Erpresst? Womit denn?« fragte Tino auch prompt.
»Das werden wir rausfinden, verlass dich drauf«, versprach Maike.
»Sie phantasieren ja.« Tino verschränkte demonstrativ die Arme vor seinem Körper.
Nach einer weiteren halben Stunde fruchtlosem Hin und Her blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihn gehen zu lassen. Sie hatten leider nach wie vor nur Vermutungen, keine Beweise. Die Tatsache, dass Tino etwas mit Maria gehabt hatte, reichte nicht aus, ihn festzunehmen. Denn da war er nur einer von vielen. Mehr konnten sie ihm jedoch nicht nachweisen.
Maike war sauer. Markus ging es nicht viel besser.
»Was zum Teufel kann eine ganze Klasse dazu bringen, dass alle für einen lügen?« brummte er unmutig.
»Möglicherweise haben sich einige irgendwie die Prüfungsaufgaben beschafft. Alle wissen es. Keiner sagt was. Tino drohte vielleicht, es zu verraten. Schließlich muss er nicht befürchten
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