Vertraue nicht dem Feind
Vorstellung. Rowdy konnte es kaum abwarten, endlich loszulegen. Dougie, der Barkeeper, wusste noch nicht, dass Rowdy beabsichtigte, seine Stelle neu zu besetzen. Das würde er ihm eröffnen, sobald er das Ruder fest in der Hand hielt, denn er wollte nur ungern, dass ihn jemand bereits im Vorfeld sabotierte. Außerdem wollte er vermeiden, dass er Avery das Leben schwer machen konnte.
Avery. Jedes Mal, wenn er an sie dachte, atmete er schneller. Wie bescheuert war das denn bitte? Er war scharf auf sie, keine Frage. Sie war heiß, auf ihre ganz eigene kühle, distanzierte Art. Aber dass allein der Gedanke an eine Frau ihn zum Hecheln brachte, das hatte er noch nie erlebt.
Bis er Avery Mullins kennengelernt hatte.
Wäre es unethisch, wenn er mit ihr ins Bett ginge? Jetzt, wo die Bar offiziell ihm gehörte?
Obwohl sie ihm bisher ja sowieso wenig Hoffnungen gemacht hatte.
Bisher.
Rowdy war bestimmt kein Moralapostel, aber trotzdem wollte er nur ungern in seinem eigenen Betrieb Unfrieden stiften.
Er stopfte die Hände in die Hosentaschen, senkte den Kopf und schlenderte zu einem Laternenpfosten. Dabei sah er sich unauffällig um. Im Tattoostudio brannte bereits Licht, obwohl es eigentlich erst in einigen Stunden öffnete. Verdächtig.
Die umliegenden Geschäfte – ein Tabakladen, ein Kreditbüro, eine Änderungsschneiderei und ein Laden, der allerlei sinnlosen Kram anbot – waren noch geschlossen und dunkel.
Vor dem Studio stand kein Auto, aber vielleicht hatte derjenige, der sich darin aufhielt, wie Rowdy seinen Wagen außer Sichtweite ein Stück die Straße hinunter geparkt.
Im Inneren ging wieder ein Licht an, diesmal in einem der hinteren Räume. Es juckte Rowdy in den Fingern, sich hineinzuschleichen und sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Einzubrechen wäre ein Kinderspiel. Verschlossene Türen stellten in den seltensten Fällen ein Hindernis für ihn dar, und er wäre in null Komma nichts wieder draußen, ohne dass ihn jemand bemerken würde.
AberReese hatte sich in Bezug auf derartige Alleingänge unmissverständlich ausgedrückt, und zudem wäre es unklug, illegale Methoden anzuwenden, die hinterher die Ermittlungen torpedieren konnten.
Es gab nur wenige Cops, denen er vertraute, und noch weniger, denen er freiwillig zur Hand gegangen wäre. Reese und Logan waren anders.
Ein Glück, denn schließlich war Logan bald sein Schwager. Rowdy stellte fest, dass er sich tatsächlich langsam mit dieser Idee anfreundete und ihm die Vorstellung, mit Logan verwandt zu sein, inzwischen weder eine Gänsehaut verursachte noch den Magen umdrehte.
Es fand die Zusammenarbeit sogar recht angenehm. Für ihn, der sein halbes Leben auf der Straße verbracht hatte, war es viel leichter, sich unauffällig unter das halbseidene Volk zu mischen. Dass er diese Fähigkeit einmal nicht nur zum bloßen Überleben einsetzen konnte, bewirkte, dass das elende Versteckspiel seinen bitteren Beigeschmack verlor und sogar einen Anstrich von Bedeutsamkeit erhielt.
Einige Minuten später kam ein Betrunkener aus einer der Seitengassen gestolpert und taumelte in Richtung des Schnapsladens. Dort angekommen rüttelte er an der Tür. Als diese nicht nachgab, sackte er auf der Stufe vor dem Eingang zusammen und war bereits wenige Sekunden später eingeschlafen.
Kurz darauf hielt ein Wagen in der Nähe der Änderungsschneiderei. Zwei Frauen stiegen aus, blieben aber beim Wagen stehen und unterhielten sich. Eine der beiden rauchte eine Zigarette, die andere lachte.
Schließlich bemerkten sie Rowdy auf seinem Beobachtungsposten vor dem Tattoostudio und musterten ihn interessiert. Rowdy lächelte ihnen zu und behielt seine Position weiter bei. Dies war bereits der sechste Tätowierer, den er unter die Lupe nahm.
Aus irgendeinem Grund hatte er das untrügliche Gefühl, dass er hier an der richtigen Adresse war.
Und Bingo! Ein Mann verließ das Studio, der verdammt nach einem der Kerle aussah, die kurz nach Alices Flucht bei dem kleinen, heruntergekommenen Hotel aufgetaucht waren.
Rowdy wartete ab, in welche Richtung er ging, als er plötzlich spürte, wie sich ihm jemand von links näherte.
Er fuhr herum, doch statt der erwarteten Bedrohung sah er sich einer jungen Frau gegenüber. Sie mochte Mitte zwanzig sein, hatte hellbraunes, schulterlanges Haar und große, blaue Augen.
Selbst unter diesen Umständen konnte er sich weiblichen Reizen nur schwer entziehen.
Und sie sah wirklich super aus in ihren extrakurzen Shorts, den
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