Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
neben der Kriegerin in die Hocke, die in der Nähe auf dem Boden lag. Sie war noch nicht ganz bewusstlos. Ihre Augen bewegten sich hinter den Lidern und öffneten sich immer wieder schläfrig, als sie gegen das starke Sedativum ankämpfte, das Vince ihr in die Adern gejagt hatte. Sie murmelte unzusammenhängendes Zeug, ihre leise Stimme wurde jede Sekunde schwächer.
Er bemerkte getrocknetes Blut in ihrem blonden Haar, verkrustet an ihrer linken Schläfe, wo am Haaransatz ein kleines rotes Muttermal zu sehen war. Der Anblick dieser winzigen Träne, die in die Wiege einer Mondsichel fiel, in Kombination mit ihrem liliensüßen Blutduft, machte sein Bedauern nur noch größer, das ihm wie ein Felsbrocken im Magen lag, schon von dem Augenblick an, als sich sein Team von dem Einsatz bei ihm gemeldet hatte.
Dass sie bei dieser Operation verletzt worden war – noch bevor die Betäubungspistole einen dunklen Bluterguss an der zarten Haut ihres Halses hinterlassen hatte –, machte ihn ganz elend vor Selbsthass.
Der Drang, sie zu berühren, überwältigte ihn fast.
Er wollte sie trösten, sie an sich drücken, dafür sorgen, dass sie in Sicherheit war.
Aber er konnte das alles nicht tun.
Er hatte kein Recht dazu.
Nicht mehr.
Er war nicht mehr dieser Mann. Für seine Rebellentruppe war er seit acht Jahren Bowman. Ihr Anführer, der zufällig auch als Stammesvampir geboren war, nicht als Homo sapiens wie die anderen.
Aber diese verletzte und blutende junge Frau, die jetzt vor ihm lag, hatte ihn zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort gekannt. Als er noch ein anderer Mann gewesen war, geboren mit einem Namen, unter dem ihn keiner seiner Rebellenanhänger kannte.
»Kellan …?«
Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, selbst für ihn kaum hörbar. Er spürte, wie ihre Hand die seine streifte, federleicht, fragend. Gegen seinen eigenen Willen sah er in ihr Gesicht hinunter. Ihre Augen waren nicht einmal halb geöffnet und blickten unkoordiniert umher. Im nächsten Augenblick wurde sie bewusstlos, ihre Finger erschlafften, ihr Kopf sank zur Seite und sie fiel in einen tiefen Drogenschlaf.
Er schloss kurz die Augen, verscheuchte die Vergangenheit und griff nach dem einzigen Ding, das ihm noch geblieben war.
»Die Show ist vorbei, Leute. Und jetzt beeilt euch. Wir haben einen Job zu erledigen.«
5
Sie hatte nicht erwartet, wieder aufzuwachen.
Hölle noch mal, sie hatte nicht damit gerechnet, überhaupt noch am Leben zu sein. Nicht nach dem Kampf mit ihren Entführern im Lieferwagen, als sie den Typ namens Vince mit dem Dolch verletzt hatte, kurz nachdem sie sie bei Jeremy Ackmeyers Haus in den Lieferwagen gestoßen hatten. Sie hätten sie töten können. Und sie hätte es ihnen nicht verübeln können, wenn sie sie getötet hätten, als sie ihnen vorhin bei der Ankunft an diesem Ort so heftige Gegenwehr geleistet hatte.
An diesem … wo immer sie hier war.
Der Druck auf ihrem Gesicht sagte ihr, dass man ihr die Augen verbunden hatte. Handschellen schnitten in ihre Gelenke, sie waren irgendwo über ihrem Kopf befestigt. Sie zog an ihnen und hörte sie gegen etwas klirren, was wohl das Kopfende eines Bettgestells aus Metall sein musste. Auch ihre Beine waren gefesselt, die Knöchel am Fußende des Bettes befestigt.
Ihr Mund fühlte sich so trocken an, als wäre er voll Watte, aber wenigstens hatte man sie nicht geknebelt. Doch was würde es ihr auch nützen, wenn sie schrie? Sie brauchte die Wände ihres Gefängnisses nicht zu sehen, um zu wissen, dass sie aus einem massiven, undurchdringlichen Material waren. Stein, schätzte sie, und dem feuchten, abgestandenen Geruch nach zu urteilen vermutlich fensterlos.
Sie roch den schwachen Salzgeruch des Ozeans in der feuchten Luft. Hörte das Tosen der Brandung, nicht weit entfernt. Aber sonst nur Stille.
Nein, wenn sie hier schrie, würden nur ihre Entführer sie hören.
Mira bewegte sich auf der dünnen Matratze und zuckte unter dem stumpfen Schmerz seitlich an ihrem Hals zusammen. Sie konnte sich daran erinnern, dass man sie dort mit etwas Scharfem verletzt hatte. Etwas, das ihr die Beine wegknicken ließ und sie bewusstlos machte. Tranquilizer, erkannte sie jetzt.
Aber es fiel ihr nicht schwer, sich an das plötzliche, überwältigende Gefühl zu erinnern, zu treiben, zu fallen …
Zu sterben, hatte sie gedacht.
Sogar das Gesicht eines Engels hatte sie in diesen letzten Augenblicken vor der Bewusstlosigkeit gesehen. Kellans Gesicht, gut aussehend und
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