Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
alles Mögliche sein, aber dumm war sie definitiv nicht. »Sag deinen Kumpels, wenn ihr denkt, ich gehe ohne Ackmeyer hier weg, täuscht ihr euch gewaltig.«
»Das entscheide nicht ich«, sagte sie. »Und jetzt bitte trink was.«
Wieder spürte Mira das Glas an ihrem Mund. Dieses Mal warf sie sich, statt zu trinken oder den Kopf wegzudrehen, nach vorne und biss der Rebellin in den fleischigen Daumenballen.
Die Frau schrie auf, sprang zurück und ließ das Glas auf den Boden fallen. Es zerschellte neben dem Bett, ohrenbetäubend laut in der stillen Zelle mit den dicken Wänden.
Mira nutzte die Schrecksekunde, um wieder gegen ihre Fesseln anzukämpfen. Sie bäumte sich auf und zerrte, schaffte es aber nur, die Binde von einem ihrer Augen abzustreifen, als in der offenen Tür plötzlich die riesige Gestalt eines weiteren Rebellen erschien, den der Lärm alarmiert hatte.
Der Typ war riesig und drohend, strahlte eine gefährliche Hitze aus, die selbst Mira den Atem stocken ließ. Über den oberen Rand ihrer verrutschten Augenbinde konnte sie nur einen schmalen Streifen von ihm sehen. Breite Schultern. Dunkelbraunes Haar mit rötlichem Glanz.
So groß, muskulös und mächtig wie jeder Ordenskrieger.
Bei diesem Gedanken durchzuckte sie ein unbehagliches Gefühl.
Sie richtete sich auf dem Bett auf, um ihn besser zu sehen, und beobachtete, wie er zu der Rebellin hinüberging und schützend den Arm um sie legte.
»Candice, bist du in Ordnung?« Nicht Brady, wie die anderen Männer sie genannt hatten, sondern ein Frauenname, ausgesprochen mit ehrlicher Besorgnis und echter Zuneigung in der tiefen Stimme. Er sprach leise, hatte den Kopf gesenkt, das Gesicht von seinem schulterlangen Haar verdeckt. »Was zum Teufel war das eben?«
»Nichts, ich bin okay. Tut mir leid, Bowman. Ich hätte die Situation besser im Griff haben sollen.«
Der Mann sagte leise etwas zu seiner Kameradin, strich ihr mit seiner riesigen Hand beruhigend über das rabenschwarze Haar. Miras Atem ging heftig, als sie dem vertraulichen Wortwechsel zusah, mit allen Sinnen auf das leise Gemurmel des Rebellenanführers konzentriert.
Etwas an ihm – nein, absolut alles an ihm – begann etwas Kaltes und Rostiges in ihr aufzurühren.
Die Sehnen in ihrem Nacken spannten sich an, als sie sich anstrengte, endlich sein Gesicht zu sehen. Sie drehte ihren Kopf, um mehr von dieser seidigen, tiefen Stimme zu hören. Seine Gegenwart rief alles in ihr zu voller Aufmerksamkeit. Ihre Haut spannte sich an, wurde heiß und eng. Ihr Herz in ihrer Brust flatterte wie die Schwingen eines Vogels im Käfig.
Ihre Instinkte kannten diesen Mann. Ihr Herz wusste es, auch wenn es so unlogisch war, dass ihr Verstand es noch nicht erfassen konnte.
Ihre Neugier schlug in Verzweiflung um, als der Mann sich zu bewegen begann. Er ließ den Arm von der Schulter der Frau sinken und drehte sich zum Bett um, bewegte sich zu geschmeidig, strahlte zu viel pure Macht aus für einen normalsterblichen Menschen.
Denn er war keiner.
Alle Luft wurde aus Miras Lungen gepresst, als er sich dem Bett näherte, in dem sie lag.
»Unmöglich«, flüsterte sie. »Nein … das kann nicht real sein.«
Aber das war es.
Kein Engel. Auch kein Geist, sondern Fleisch und Blut. Lebendig.
Die unmögliche Antwort auf all ihre Hoffnungen und Gebete.
»Kellan«, flüsterte sie.
Ihr Schock in diesem Augenblick war so tief, dass sie nicht die Kraft gehabt hätte, auch nur den Kopf zu heben, geschweige denn ihren Entführern irgendwelchen Widerstand zu leisten, selbst wenn man ihr die Handschellen abgenommen hätte. Und sogar während sie noch versuchte zu verarbeiten, was sie da sah, wurde ein Teil ihres Herzens eiskalt von einer schrecklichen Erkenntnis.
Denn wenn er es war, was tat Kellan dann hier, nach all der Zeit, die er verschwunden war? Wie konnte er diese Leute kennen? Was bedeuteten sie ihm?
»Kellan … bist du das?«, fragte sie, musste hören, dass er ihr bestätigte, was ihr Verstand sich immer noch zu glauben weigerte.
Ohne zu antworten, ohne ihr in die fragenden Augen zu sehen, sah er auf sie hinunter. Zog ihr sanft die Augenbinde vom Gesicht und vom Kopf. Und vermied dabei die ganze Zeit bewusst, ihr in die Augen zu sehen.
»Candice«, murmelte er. »Bring mir die Kontaktlinsen.«
Natürlich, dachte Mira. Kellan wusste von ihrer Gabe. Kellan wusste alles über sie. Er war fast ihr ganzes Leben lang ihr bester Freund gewesen. Der Einzige, der sie wirklich gekannt und verstanden
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