Vertraute der Sehnsucht (German Edition)
atemberaubenden Orgasmen brachte und jedes Mal kurz nach ihr gekommen war.
Bei dem Gedanken an seine Leidenschaft und an die letzten Stunden voller Lust und Zärtlichkeit beruhigte sich ihr panischer Herzschlag. Die Erinnerung an seine Worte gab ihr Mut – sein zärtliches Liebesversprechen, als sie sich im verblassenden Sternenlicht umarmt hatten, um nur wenige Minuten später gemeinsam in sein Bett zu fallen.
Kellan liebte sie. Er wollte sie nicht verlassen, das wusste sie. Aber er würde gehen. Das hatte er ihr heute Nacht schonend beibringen wollen: Wenn er sich dem Orden ergab, dann nur alleine. Er wollte nicht, dass sie mit ihm kam.
Wenn sie daran dachte, dass er sich allein dem Urteil stellen musste – dem Todesurteil, das ihre Vision prophezeit hatte, dann ballte sich ein eisiger Knoten in ihrem Magen zusammen.
Sie musste ihre Furcht in den Griff bekommen. Mit festem Willen verbannte sie die Albträume von eben aus ihren Gedanken, und auch die unerträgliche Vision der Zukunft, die Kellan in ihren Augen gesehen hatte, schob sie weg. Wie er so ruhig schlief, packte Mira eine verzweifelte Sehnsucht, und am liebsten hätte sie sich an ihn geklammert und ihn nie mehr losgelassen. Doch sie war zu unruhig, um im Bett zu bleiben. In ihrem Kopf summte es, und ihre Arme und Beine zuckten nervös. Wie kleine lästige Fliegen ließen die Sorgen sie nicht zur Ruhe kommen.
Vorsichtig löste sie sich von Kellan und glitt an den Bettrand. Er seufzte und drehte sich um, dann wurden seine Atemzüge noch tiefer. Mira erhob sich. Sie wusste nicht, was sie tun oder wohin sie gehen könnte, um das beklemmende Gefühl abzuschütteln. Sie brauchte keinen Schlaf und keine Ablenkung, sondern Antworten auf ihre Fragen.
Sie wollte wissen, wie ihre Zukunft mit Kellan aussehen würde. Mehr als alles andere brauchte sie jetzt etwas, das ihr zumindest ein klein wenig Hoffnung gab. Irgendetwas, das ihr sagte, dass sie irgendwie die Schwierigkeiten überwinden und einen Weg finden würden, um zusammen zu sein.
Sie warf einen Blick über ihre Schulter, zum Ende des Bettes. Dort auf dem Boden stand Kellans Kleidertruhe. In der sich der Spiegel von Kellans Großmutter befand.
Nein. Es war zu gefährlich. So etwas sollte sie nicht einmal in Erwägung ziehen.
Sie wusste nicht einmal, ob es funktionieren würde.
Und doch griff sie nach dem leeren Behälter für die Kontaktlinsen, der auf dem Nachttisch neben dem Bett lag. Dann trugen ihre Füße sie geräuschlos zu dem hölzernen Reisekoffer. Sie ging davor in die Hocke und hob leise den Deckel an.
Der silberne Handspiegel lag umgedreht ganz oben auf einem Stapel von Kellans Hemden. Mira nahm ihn heraus. Mit den Fingerspitzen fuhr sie über das eingeritzte Wappen der Familie Archer, Pfeil und Bogen.
Sie musste es versuchen.
Sie musste Gewissheit haben, auch wenn ihr vor Angst heiß und kalt wurde, auch wenn sie es noch nie vorher versucht hatte. Schlimmer war es, die Zukunft nicht zu kennen und immer in der Angst zu leben, dass das, was Kellan gesehen hatte, wirklich sein Schicksal sein sollte.
Wenn auch nur die geringste Chance bestand, dass ein Blick in ihre ungeschützten Augen ihr zumindest einen kleinen Hoffnungsschimmer auf eine Zukunft mit Kellan geben könnte, dann wollte sie es riskieren. Jeden Preis würde sie zahlen, wenn sie nur Gewissheit bekam, dass es sein Schicksal war zu leben … oder zu sterben.
Mira drehte sich rasch um und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Truhe, als sie kniend die Kontaktlinsen aus den Augen nahm und in dem Behälter verstaute. Den Spiegel in der erhobenen Hand schloss sie die Augen und holte tief Luft.
Sie konnte das tun.
Sie musste das tun.
Sie brachte den Spiegel ganz nah vor ihr Gesicht, doch verhüllten ihre Augenlider immer noch ihre seherische Gabe. Das Herz hüpfte und klopfte nervös und unregelmäßig in Miras Brust, und ihr Herzschlag kam ihr so laut vor, dass sie fast fürchtete, Kellan würde von dem Lärm aufwachen. Ihre Hände waren feucht und ihr Mund trocken wie Staub.
Sie musste es versuchen.
Sie musste Gewissheit haben.
Sie öffnete die Augen und erstarrte. Aus dem ovalen Spiegelglas schaute ihr eigenes Gesicht ihr entgegen. Sie sah so anders aus, wenn keine violetten Kontaktlinsen die kristalline Intensität ihres Blickes abmilderten. Kaum erkannte Mira sich selbst wieder – es war natürlich ihr Gesicht, aber es war erleuchtet von einem eisigen Feuer, das alterslos schien und nicht von dieser
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