Vertraute Schatten
kuschelte sich an ihn in der Hoffnung, dass er dann ein bisschen lockerer würde.
Dann waren Schritte zu hören und lautstarkes Gelächter, das den Moment in tausend Fetzen zerriss. Besoffene Sterbliche schleppten sich zu ihren Autos, und einer schrie ihnen zu, sie sollten sich gefälligst ein Zimmer nehmen.
Damien trat zurück, wenn auch nicht mehr so ruckartig, wie er dies noch vergangene Nacht getan hatte. Auf seinem Gesicht zeichnete sich Bedauern ab. Nun, da seine Maske der Gleichgültigkeit gefallen war, sah er müde und verletzlich aus.
Er braucht mich
, dachte sie wehmütig, dann verfluchte sie sich auch schon, dass sie diesen Gedanken überhaupt zugelassen hatte. Sie wusste, dass Elena recht hatte. Ihr drohte großer Herzenskummer.
Ausnahmsweise verzichtete Damien auf einen markigen Spruch, eine scharfe Bemerkung. »Fahren wir los«, sagte er. »Uns läuft die Zeit davon.«
Ohne zu antworten, verwirrt von diesen seltsamen Gefühlen ihm gegenüber, die ihr samt und sonders neu waren, stieg Ariane in den Wagen.
10
Der Hauptsitz der Empusae war ein altes Landhaus, das hinter einem Feld hochstehenden, süß riechenden Grases und vor einem dichten Wald lag. Von der Straße aus war es nicht zu sehen, nur von Bootsfahrern, die einen bestimmten Abschnitt des Lake Wylie passierten. Die lange Zufahrt war gesäumt von Kirschbäumen, die sich jedes Frühjahr in ein Meer rosafarbener Blüten verwandelten.
Jetzt, Mitte Juli, trugen die Bäume lediglich dunkelgrüne Blätter, aber man hatte immer noch den Eindruck, man würde in eine frühere Epoche zurückfahren.
Damien versuchte, sich auf die Straße zu konzentrieren, auch wenn ihn Arianes Reaktion auf die Umgebung faszinierte. Sie saß neben ihm und drückte sich die Nase an der Fensterscheibe platt.
Er musste es schaffen, sich innerlich von ihr zu distanzieren. Körperlichen Freuden war er nie abgeneigt … vorausgesetzt, es ging ausschließlich darum, ein williges Frauenzimmer in Taumel zu versetzen und danach wieder seiner Wege zu ziehen. Er hatte geglaubt, über ein so simples, reines Bedürfnis, wie in die Arme genommen zu werden, längst hinweg zu sein.
Aber als Ariane ihn berührt hatte, hatte er gespürt, wie etwas in ihm in Bewegung kam und zerbröckelte.
Das jagte ihm eine Heidenangst ein, auch wenn er das niemals zugeben würde. Ihm war es recht, wie es war. Er war völlig damit zufrieden, sich nur um sich selbst zu kümmern. Alle anderen interessierten ihn einen feuchten Kehricht. Kleine Ausnahmen: Randerscheinungen, die er so interessant fand, dass er sie als Freunde bezeichnete.
Unschuld hatte ihn seit jeher angewidert. Was war diesmal bloß anders?
»Ach«, seufzte sie, während zwischen den Bäumen vor ihnen das Haus auftauchte.
Ein wuchtiges weißes Gebäude, im neoklassischen Stil errichtet, mit anmutigen Säulen. Hinter den Fensterscheiben flackerte warmes Kerzenlicht, was den Eindruck vermittelte, man sei hier willkommen. Damien rang sich ein Lächeln ab. Vampire liebten Kerzenlicht. Es war schmeichelhafter, geheimnisvoller … aber auch tröstlicher für die vielen, die lange vor der Entdeckung der Elektrizität zur Welt gekommen waren.
Das Grundstück erstreckte sich zu beiden Seiten des Hauses, und linker Hand stand ein schönes, kleineres Gebäude mit einer Kuppel, bei dem es sich, wie Damien wusste, um einen Tempel handelte. Es war ein wunderbarer Ort, der vortrefflich zur Hausherrin passte.
Damien hielt an einem großen Eisentor, das die Weiterfahrt versperrte. Unmittelbar davor hatte man eine Gegensprechanlage installiert, und auf den Bäumen waren ringsum Überwachungskameras verteilt. Die Empusae waren zwar schwer auf dem Nostalgietrip, einige Hightechteile waren aber einfach zu nützlich, als dass man sie hätte links liegen lassen können.
Damien drückte auf den Knopf, und kurz darauf war eine helle weibliche Stimme zu hören. »Was ist euer Begehr?«
Damien warf einen Blick zu Ariane, die zum Anbeißen aussah. Ihre Kiefermuskeln waren angespannt, aber das war das einzige Anzeichen von Nervosität, abgesehen von den übertrieben fest verschränkten Händen in ihrem Schoß. Offenbar machte sie sich Sorgen, ob man sie überhaupt einlassen würde. Er hatte da keine Bedenken. Mormo war ganz versessen darauf, nicht an gesellschaftlicher Bedeutung zu verlieren. Da käme ihr der Besuch einer Grigori mehr als recht.
»Ariane von den Grigori wünscht Lady Diana zu sprechen«, antwortete er. Hier konnte er Arianes wahre
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