Vertraute Schatten
Handgelenk packte, als wolle er sagen, dass er keinesfalls das Zimmer ohne sie verlassen würde. Ihr ging nur eins durch den Kopf, immer wieder, wie eine Endlosschleife.
Es ist aus. Er hat mich gefunden.
Ein Teil von ihr hatte stets gewusst, dass es so kommen würde. Und trotzdem war sie überrascht. Es war sehr viel früher eingetreten, als sie erwartet hatte. Sie hätte gern geglaubt, dass Oren und sie nur aus Pech zur selben Zeit am selben Ort waren.
Aber das stimmte nicht. War es ihm so wichtig, sie ein letztes Mal zu demütigen, dass er sogar den Willen der Ältesten hintanstellte? Das ergab keinen Sinn … war aber auch egal. Er war hier.
»Kommt«, sagte Diana. »Es gibt da etwas, das ich euch allen zeigen möchte.«
Als Damien sie hinter sich her aus dem Raum zog, folgte sie ihm wie betäubt. Natürlich tat er nicht, was sie wollte, nämlich sie zurücklassen, damit sie kämpfte und starb. Ein Teil von ihr war sogar dankbar, dass er nie tat, was man ihm auftrug. Die Konfrontation mit Oren allerdings war unvermeidlich. Er hatte Jahrhunderte darauf gewartet, ihrem Leben ein Ende zu setzen.
Diana schloss die Tür zum Konservatorium, aber Ariane konnte ihn immer noch riechen. Sein Geruch schien durch die Fenster, durch die Türen in den Flur zu sickern. Er wusste, dass sie seine Anwesenheit spürte, und würde sich an diesem Wissen ergötzen.
»Ich denke«, sagte Damien ausdruckslos, »du solltest vielleicht erklären, wieso ein Haufen Beobachter sich im Recht glaubt, uns töten zu dürfen. Sie haben sich da auch einen super Zeitpunkt ausgesucht, nicht mehr länger nur untätig herumzustehen und das Unglück anderer zu verfolgen.«
Ariane seufzte, rieb sich die Arme und dachte an den kleinen Dolch an ihrem Schenkel. Er sollte eigentlich eine beruhigende Wirkung haben, doch jetzt erinnerte er sie nur daran, dass kein noch so großes Waffenarsenal Oren würde aufhalten können.
»Ganz einfach«, antwortete sie erstaunlich gelassen. »Ich habe mich ohne Erlaubnis fortgestohlen. Dadurch haben sich die Regeln geändert. Sie wollen zwar ausschließlich mich, aber wenn ihr ihnen in die Quere kommt, werden sie auch euch beseitigen.«
Vlad pfiff leise als Zeichen, dass er verstanden hatte. Ariane wunderte das nicht. Er war Führer einer Dynastie. Er wusste selbstverständlich Bescheid.
»Ein Freund von mir wird vermisst«, erklärte sie weiter. »Ich hatte den Eindruck, ich könnte mehr unternehmen, als nur in der Wüste rumzusitzen. Deshalb bin ich hier.«
»Ach ja, Sammael. Diana hat erwähnt, dass jemand nach ihm sucht. Mir war nur nicht klar, dass Sie das sind. Und dass Sie ohne Erlaubnis hier sind«, sagte Vlad.
»Mir ist das auch neu«, fügte Diana hinzu. Sie klang nicht gerade erfreut.
Das schlechte Gewissen meldete sich bei Ariane wie ein Schlag in den Magen. Sie hatte diese Leute in Gefahr gebracht.
»
Ich
habe es gewusst«, schaltete sich Damien in einem Tonfall ein, als hielte er die beiden anderen für etwas begriffsstutzig, weil sie das nicht schon früher erkannt hatten. »Aber wenn man die letzte Nacht Revue passieren lässt und das hier dazuzählt, habe ich fast den Eindruck, jemand habe vergessen zu erwähnen, dass wir uns mit einem komplett neuen Regelwerk anfreunden müssen.« Er kniff die Augen zusammen. »Warum erklärst du nicht, was Oren alles vorhat, um dich dorthin zu bringen, wohin du seiner Meinung nach gehörst? Deiner Miene nach zu urteilen, wird er es nicht bei einer Gardinenpredigt belassen.«
Seine vor wenigen Minuten noch so freundlich blickenden Augen hatten sich verdüstert. Er glaubte, dass sie ihn angelogen hatte. Zweifellos war er es gewohnt, angelogen zu werden. Aber dass er ihr so etwas so schnell zutraute, kränkte sie.
Sie schob den Frust beiseite und hoffte auf sein Verständnis. »Wenn es um andere geht, halten wir uns an unsere Rolle als Beobachter. Aber wir sind durchaus geübte Kämpfer, Damien. Die Grigori regeln alles unter sich.« Sie senkte den Kopf. »Um jeden Preis.«
»Wenn wir Oren daran hindern wollten, sie zurückzuholen – mit Sicherheit ein Befehl Sariels –, hätte er jedes Recht, uns zu töten. Der Rat würde dem beipflichten. Hier handelt es sich um dynastieinterne Vorgänge, die uns nach gültigem Gesetz nichts angehen«, sagte Vlad. »Er könnte einfach an die Tür klopfen und ihre Auslieferung fordern … aber vermutlich wird er draußen ausharren, um, wenn möglich, nicht allzu viel Aufsehen zu erregen.«
»Er weiß, dass ich mich ihm
Weitere Kostenlose Bücher