Vertraute Schatten
sich beide schweigend in das Buch, und Damien dachte an die Nacht auf dem Gelände der Empusae zurück, als Ariane, verfolgt von ihrem Blutsbruder, wie der Blitz durch den Nachthimmel geschossen war. Bei der Vorstellung, welches Schicksal sie erwartet hatte – Dämonenfutter –, wurde ihm übel. Er hatte doch gleich gewusst, dass bei dieser Sache etwas nicht stimmte. Aber so etwas?
Damien ließ den Daumen auf der Seite liegen und klappte das Buch zu, um die Umschlagseite anzuschauen. »Wie heißt das Buch eigentlich?«
»
Dämonen der Antike
«, ertönte Perkins’ eingerostet klingende Stimme.
Wütend blickte Damien hoch. Der Mann hatte sie belauscht!
Perkins sah ihn nur selbstgefällig an, schlurfte auf ihn zu und nahm ihm das Buch aus der Hand. »Das ist eine Rarität«, sagte er und starrte Ariane neugierig an. Obwohl sie die Haare nur zu einem lockeren Knoten hochgesteckt hatte und einen weiten Sommerrock und ein einfaches Tanktop trug, war sie von einer überirdischen Schönheit. Niemand konnte sich über ihre Herkunft täuschen.
Damien hatte so sehr in ihrem Anblick geschwelgt, dass er ihr gar nicht mehr zugeredet hatte, eine neue Perücke zu kaufen. Das war dumm gewesen. Unvorsichtig. Dass alles ruhig war, bedeutete nicht, dass die Gefahr gebannt war. Und jetzt hockten sie in diesem abgelegenen Keller mit Perkins, der alles Mögliche sein konnte.
»Von diesem Buch habe ich noch nie was gehört«, sagte Ariane zu Perkins. »Und von dem Inhalt auch nicht. Es ist gar kein Autor angegeben. Wer hat es geschrieben?«
»Einer der Ihren natürlich.« Perkins verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen. Seine gelblichen Zähne waren gezackt, und wieder fragte Damien sich, wovon der Mann sich wohl ernährte.
»Einer der Meinigen?«
»Grigori. Beobachter«, erwiderte Perkins unwirsch. »Wie Sie sehen, ist es von Hand geschrieben und von Hand gebunden. Ein Einzelstück. Es heißt, dass derjenige, der es geschrieben hat, eine Menge Ärger bekam, als man herausfand, was er da trieb.«
Damien warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Aha. Ein Grigori bekam Ärger, weil er eine wissenschaftliche Abhandlung über Dämonenmythen schrieb. Klar doch. Und dann? Dann hat er Ihnen das Buch gegeben, um wenigstens noch ein bisschen daran zu verdienen?«
Perkins kniff die Augen zusammen, die in dem trüben Licht seltsam glitzerten. »Es heißt, er hätte es einem Freund gegeben, bevor er verschwand. Oder man ihn verschwinden ließ. Sie haben ein vorlautes Mundwerk, Kater. Nehmen Sie sich in acht. Die Dame hier kann Ihnen sicher bestätigen, dass die Grigori ihre Geheimnisse nicht gern preisgeben. Die Zeichnung, die Sie angeschaut haben, ähnelt einem Grigori, nicht wahr?« Er kicherte, und dieses Kichern klang so unangenehm, dass sich Damien die Nackenhaare aufstellten. »Jedenfalls, wenn die Grigori Flügel hätten. Aber das ist ja nur ein Gerücht.«
Er warf Ariane einen Blick zu, der deutlich zeigte, welche Vermutungen er hegte.
»Blödsinn«, fuhr Damien ihn an. »Die ganze Geschichte, von vorn bis hinten. So ein Dämon ist mir noch nie begegnet, dabei ist mir verdammt noch mal schon so gut wie alles über den Weg gelaufen.«
Perkins sah ihn amüsiert an. »Na, dann brauchen Sie sich ja keine Sorgen zu machen. Und das ist nur gut so, denn Dämonen sind sehr viel mächtiger als Vampire. Theoretisch natürlich nur.« Er klopfte auf das Buch. »Hierin finden Sie eine Menge interessanter Theorien.«
»Sie haben uns immer noch nicht gesagt, wie Sie an das Buch gekommen sind«, sagte Ariane, die aussah, als wolle sie Perkins das Buch am liebsten aus seinen Wurstfingern reißen.
Perkins zuckte mit den Schultern. »Ich habe da so meine Quellen. Wollen Sie es nun kaufen oder nicht?«
Damien wusste, dass ihn das Buch ein Vermögen kosten würde. Er wusste aber auch, dass er es unbedingt haben musste, selbst wenn die Theorie ein wenig seltsam klang. Immerhin – sie war ein Anfang. Und völlig unmöglich schien sie ebenfalls nicht zu sein. Schließlich hatte er bei der Befreiung seiner Dynastie einen hungrigen, fleischfressenden Zigeunerfluch eine Schneise durch einen Haufen Ptolemy schlagen sehen. Unmöglich war gar nichts.
Auch wenn ihm das gegen den Strich ging.
»Wie viel?«, fragte er, und Perkins lächelte.
Fünfzehn Minuten später bewegten sie sich wieder zwischen halbwegs normalen Sterblichen durch die Nacht und genossen die frische Luft. Ariane trug in einer Papiertüte das in Stoff eingewickelte Buch. Ihre Haare
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