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Vertraute Schatten

Vertraute Schatten

Titel: Vertraute Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kendra Leigh Castle
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zwischen Sammael und ihr passiert war – die glückliche Wiedervereinigung, die sie sich vorgestellt hatte, war es wohl nicht gewesen. Sie hatte das bekommen, wovon sie geglaubt hatte, sie würde es wollen … aber es hatte nicht ihren Erwartungen entsprochen.
    Dieses Gefühl kannte er so gut. Und häufiger, als er zählen konnte, war er selbst Auslöser dieses Gefühls gewesen.
    Aber nicht heute Nacht. Für diese Nacht hatte sie genügend Enttäuschendes erlebt.
    Damien löste sich aus seinem Versteck unter dem Baum, lief zu dem Grabstein und schaute zu ihr hoch.
    Ariane starrte, die Arme um die Knie geschlungen, in die Ferne, was sie nicht nur sehr jung, sondern auch sehr verletzlich wirken ließ. Es versetzte ihm einen Stich zu sehen, dass sie geweint hatte.
    Er zögerte – plötzlich fühlte er sich unsicher. Er hatte Ariane noch nie weinen sehen. Verdammt, er verabscheute Tränen. Normalerweise hätte er sich umgedreht und wäre davongelaufen, aber irgendetwas hielt ihn zurück; der seltsame, aber nicht zu leugnende Impuls, sie zu trösten. Sie gab keinen Laut von sich, verschmolz fast mit dem Stein, während die Tränen ihre Wangen hinabströmten.
    Statt Abscheu empfand er etwas, das ihn weit mehr beunruhigte: Zweifel.
    Wenn er ihr nun zu nahetrat? Wenn sie ihn gar nicht hierhaben wollte? Schließlich war sie nicht zu ihm gekommen … wobei er ihr das nicht verübeln konnte, zumal er wirklich nicht der Kindermädchentyp war, aber dennoch …
    »Oh!«
    Damien, überrascht von dem plötzlichen Laut, der ihr entschlüpft war, legte die Ohren an. Vielleicht würde sie nicht wissen, dass er es war – schließlich hatte er ihr seine Fähigkeiten neulich abends in Chicago nur einmal kurz vorgeführt. Aber sie erkannte ihn sofort. Sie fuhr sich über die Augen, und selbst in der Dunkelheit konnte er erkennen, dass sie errötete.
    »Tut mir leid. Ich war nur … nun ja.« Sie lachte, aber es klang alles andere als fröhlich. »So viel zu der Behauptung, dass Grigori nicht fühlen können. Jetzt weißt du, wie es wirklich ist. Wir können sogar weinen.«
    Er neigte den Kopf in ihre Richtung und erhob sich dann auf die Hinterbeine, um die Vorderpfoten neben sie auf den Grabstein zu legen. Sie sah auf ihn hinunter, lächelte ihn zaghaft und mit fragendem Blick an, legte dann die Hand auf das Fell oben an seinem Kopf und strich ihm über Wangen und Ohren. Ein Schnurren stieg tief unten aus Damiens Kehle, und seine Augenlider sanken herab. Vielleicht tröstete es sie, ihn zu streicheln – wenn ja, spendete er ihr diesen Trost nur zu gern. Manchmal wünschte er sich, seine Katzengestalt wäre nicht so groß, aber im Moment hatte diese Größe durchaus ihre Vorteile.
    »Magst du deine menschliche Gestalt heute Nacht nicht?«, fragte Ariane. »Vorsicht! Ich könnte mich entschließen, dass du mir so besser gefällst, Katerchen.«
    Von einer Sekunde auf die andere verwandelte er sich wieder in einen Mann, und statt durch Fell glitten ihre Finger durch Haar. Ausnahmsweise machte es ihm einmal nichts aus, dass es ihm von jemandem zerrauft wurde.
    Als sie ihn diesmal anlächelte, war es ein ehrliches Lächeln, und es löste etwas Seltsames in ihm aus. Er fühlte sich auf einmal unglaublich gut.
    Ihm fiel auf, dass er noch immer schnurrte, und er wusste auch genau, dass er damit jetzt nicht aufhören durfte.
    »Aha«, sagte sie. »Dachte ich mir doch, dass das wirkt.«
    Er nahm sie samt Flügeln in die Arme. Zu seiner Überraschung wehrte sie sich nicht dagegen. Sie fühlte sich leicht und schwerelos an, und er sank zu Boden, um sie auf den Schoß nehmen zu können. Die Stellung war ungewohnt, aber er fand sie erstaunlich bequem. Es fühlte sich richtig an, sie so zu halten – vor allem als sie die Arme um ihn schlang und den Kopf an seine Brust schmiegte.
    Damien sagte nichts, strich ihr nur schweigend über das Haar und legte die Wange an ihren Kopf. Allein der Gedanke, jemanden trösten zu müssen, hatte ihn immer in Angst und Schrecken versetzt, aber bei Ariane fiel es ihm leicht. Er spürte, wie etwas in ihm erwachte, das lange tot und begraben gewesen war. Es war mehr als Lust und Begierde. Er balancierte da gerade auf einem schmalen Grat, von dem er sich sein ganzes Leben lang ferngehalten hatte. Rasch versuchte er, sich von dem gähnenden Abgrund zurückzuziehen.
    »Sammael hat etwas gesagt, das dich traurig gemacht hat«, sagte er ruhig.
    »Sam ist derjenige, der mich verwandelt hat«, erwiderte sie, die Stimme ein

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