Vertraute Schatten
wieder zu Damien. Was würde er wohl denken? Und wie würde er sich fühlen? Vielleicht wäre er erleichtert, dass sie endlich etwas mit sich anzufangen wusste, das nichts mit ihm zu tun hatte. Vielleicht würde er sich freuen, zu seinem alten Leben zurückkehren zu können, frei zu sein.
Oder vielleicht … vielleicht wäre sie ihm wichtig genug, dass er bei ihr blieb?
Während sie dort am Fenster in die Dunkelheit hinausstarrte, gestand sie sich endlich ein, dass sie sich, auch wenn das Leben ihr die großartigsten Möglichkeiten bot, nur eins wünschte: Damien an ihrer Seite zu haben. Er war sagenhaft unvollkommen und würde sich vermutlich nie zu benehmen wissen. Außerdem würde er sich vielleicht niemals ein anderes Zuhause als seine selten aufgesuchte Wohnung wünschen. Vielleicht wollte er nicht einmal sie, Ariane.
Bis auf Letzteres war ihr alles egal.
Weil sie ihn liebte.
Diese einfache Wahrheit erschütterte sie bis in ihr Innerstes. Und sie ängstigte sich in einem Maß, wie das noch nie irgendetwas getan hatte, nicht einmal ihr Sprung in den Wüstenhimmel. Damien war verdorben und schwierig und hatte eine Menge Narben davongetragen. Aber er hatte Farbe und Leben in ihr Dasein gebracht wie nichts und niemand zuvor. Er bezeichnete sich selbst als Lügner, aber ihr gegenüber hatte er aus seinen Schwächen genauso wenig einen Hehl gemacht wie aus seinen Stärken. Mehr noch: Er hatte auch ihre Schwächen und Stärken akzeptiert.
Hinter der Rüstung, die er sich zugelegt hatte, verbarg sich ein Mann, der warmherzig, witzig und überraschend treu war … und einsam.
Ariane wusste, was Einsamkeit mit einem machte.
Sie schlang die Arme um ihren Körper, denn sie zitterte, obwohl die Nacht warm war. Es gab so vieles, worüber sie nachdenken musste, und sie hatte so wenig Zeit. Sie musste sich die richtigen Worte zurechtlegen, bevor sie zu Damien ging.
Aber die richtigen Worte wollten ihr nicht einfallen.
Ihr blieb nur die Wahrheit.
Komm mit. Lass mich nicht allein. Ich liebe dich.
Und ihr blieb die nagende Angst, tief drinnen in ihrem Herzen, dass sie trotz allem, was sie erreicht hatte, nichts zu bieten hatte – nichts, das auch nur ansatzweise genügen könnte.
20
Er würde ihr nicht hinterherlaufen.
Sie hatte bekommen, was sie gewollt hatte. Ihr riesiger, Furcht einflößender Freund war in Sicherheit, sie befand sich an einem Ort, wo nicht mit Angriffen von Grigori-Jägern zu rechnen war, und so wie es aussah, würde sie bald genügend Probleme haben, die sie auf Trab hielten. Grigori-Probleme, Blaublut-Probleme … Ihn ging das nichts an.
Und dennoch – als sich die Nacht allmählich ihrem Ende zuneigte und sich die Vampire des Herrenhauses nach und nach in ihre Zimmer zurückzogen, fand Damien einfach keine Ruhe. Schließlich erhob er sich aus seinem bequemen Sessel, verließ das bedrückend leere Zimmer und machte sich leise fluchend auf die Suche nach Ariane.
Er spürte sofort, dass sie nicht im Haus war, aber er wollte sich keine Gedanken darüber machen, weshalb er das so genau spürte. Wieso auch – er war inzwischen eben an ihren Geruch gewöhnt und daran, wie es sich anfühlte, wenn sie in der Nähe war. Schließlich waren sie viel zusammen gewesen. Außerdem war es nichts Ungewöhnliches, dass jemand nach draußen ging, wenn er in Ruhe nachdenken wollte. Er selbst tat das auch oft.
Vor der Tür verwandelte er sich in eine große schlanke Katze, und schon bald hatte er ihre Spur aufgenommen. Sie war nicht weit gegangen. Schnell und leise bewegte er sich auf vier Pfoten vorwärts, bis er sie auf dem örtlichen Friedhof entdeckte, der um diese Zeit ruhig und friedlich dalag.
Er hatte nicht vorgehabt, ihr nachzuspionieren, aber als er sie dort stehen sah, musste er einfach einen Moment innehalten und den Anblick genießen, der sich ihm bot.
Ariane hockte auf einem großen, alten, marmornen Grabstein, die Knie an die Brust gezogen, die Flügel hinter ihr auf den Boden herabhängend. Für ein menschliches Auge hätte sie wie ein Teil des Steins gewirkt. Aber Damien konnte sie riechen, konnte ihr glänzendes helles Haar in der Dunkelheit ausmachen. Er verbarg sich unter einem Baum in der Nähe, wo er mit den Schatten verschmelzen und sie beobachten konnte.
Sie sah unglaublich schön aus … und so verloren! Während ihm dieser Gedanke durch den Kopf schoss, spürte er auf einmal einen unbekannten Schmerz ungefähr in der Gegend, in der sich sein Herz befinden musste. Was immer
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