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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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kochen, backen, tapezieren und hatte einen grünen Daumen. Der Beweis waren die Blumenmeere in ihrem Garten und auf den Balkonen ihrer Landvilla. Ihr Mann Rudi war Gynäkologe. Auch ich war seine Patientin. Selbstverständlich wusste auch er, dass ich schon einmal entbunden hatte, hielt sich aber an die ärztliche Schweigepflicht. Woran er sich nicht hielt, war der eheliche Treueschwur. Rudi sah verdammt gut aus, war groß, schlank, sportlich, spielte Golf und fuhr Ski. Alle Damen des Orts waren ihm verfallen. Außer wir Mädels vom Fitnesscenter Nord natürlich. Wir waren schon aus Solida rität mit Billi nicht an ihm interessiert. Sie war so eine kluge, herzliche und witzige Frau, wie konnte er sie da betrügen? Wegen ein paar Pfündchen Übergewicht?
    Billi wusste, duldete, schwieg weise und genoss die Vorteile, eine angesehene Arztgattin zu sein. Die Leute nannten sie ehrfurchtsvoll »Frau Doktor«. Sie stand im weißen Kittel in seiner Praxis, verteilte lächelnd Rezepte und vergab Termine an potenzielle Nebenbuhlerinnen.
    Hinzu kamen wie bereits erwähnt ihre drei Kinder. Und nicht nur die: Alle Freunde, die diese anschleppten, durften ebenfalls bei Familie Stark übernachten. »Besser, sie tun es zu Hause als unter der Brücke«, pflegte Billi achselzuckend zu sagen.
    Ihr ältester Sohn Robbi war längst ausgezogen und war wie Billis Mann Rudi ebenfalls Arzt. Zu ihm hatte sie eine ganz besonders innige Beziehung. Robbi war ihr Augenstern, ihr ganzer Stolz, das perfekte Ergebnis ihrer Erziehungsarbeit. Die beiden gingen Arm in Arm durch die Stadt, hielten Händchen, wenn sie ins Gespräch vertieft waren, lachten und schäkerten herum und machten einmal im Jahr eine Reise zu zweit. Robbi liebte seine Mutter über alles, und sie weinte jedes Mal, wenn er wieder nach München fuhr, wo er an der Uniklinik arbeitete.
    Es zog mir das Herz zusammen, wenn ich solche Szenen sah! Wie gern hätte ich meinen Oliver als Sohn und besten Freund bei mir gehabt! Wie Iris Berben ihren Oliver! Ein tolles Paar! Erfolgreich, schön, stark. Die brauchten auch keinen Vater! Lachend gegen den Rest der Welt! Immer wenn ich Iris Berben im Fernsehen sah, musste ich umschalten.
    Aber Billi ahnte ja nichts von ihm, sonst hätte sie mir nie das Herz schwer gemacht mit ihren Schilderungen und Familienfotos. Ihre Zweitälteste, Rikki, war siebzehn und gerade hoch schwanger. Das Baby konnte jeden Moment kommen. Anders als damals bei mir war das weder eine Schande noch sonst ein Grund zur Aufregung. Billi freute sich auf das Enkelkind und hatte ihrer Tochter versprochen, sich darum zu kümmern, bis Rikki mit der Schule fertig war.
    »Nun werde ich Großmutter«, sagte die warmherzige Billi immer wieder freudestrahlend. »Und der Fabi« – Rikkis Besamer – »ist wirklich ein prima Kerl! Der hilft mir immer mit dem Computer und trägt den Abfall raus.«
    Dann gab es da noch den fünfzehnjährigen Tobi, der gerade mitten in der Pubertät steckte und Billi den letzten Nerv raubte. Auch sie ließ ab und zu eine Bemerkung fallen, wie gut ich es doch hätte, keine »verwöhnte Brut« an den Hacken zu haben, keine »maulfaulen Stinktiere«, aber sie meinte es nicht so.
    Alle in dieser Familie hatten Kurznamen mit »i«. Das klang, als könnte sie kein Problem der Welt nachhaltig erschüttern. Die Leute im Ort hatten zwar gelacht, dass ausgerechnet die Tochter des Gynäkologen Rudi Stark schon zu Schulzeiten schwanger wurde, aber Billi trug es mit Würde und Humor. Pille vergessen, na und? Hund, Katze, Kinder, Kuckuckskinder, Austauschschüler, Praxis, Villa und Garten: Billi wuppte das mit links. Deshalb schlief sie auch meist auf einer der Gymnastikmatten ein. Sie kam ins Fitnesscenter Nord, um endlich mal ein Stündchen Ruhe von ihrer Rasselbande zu haben. Tapfere Billi! Sie hieß nicht nur Stark, sie war es auch. Ich liebte sie sehr und freute mich mit ihr auf ihr Enkelkind. Es sollte ein Mädchen werden.
    »Wir sind da.«
    Die Stimme des Taxifahrers riss mich aus meinen Gedanken. Er drehte sich zu uns um und streckte die Hand aus. »Zwanzig Euro genau.«
    Rainer schnarchte inzwischen auf dem Rücksitz, also zog ich das Geld aus der Tasche und legte fünfundzwanzig hin. »Passt so.«
    »Danke, schöne Frau.«
    Na gut. Das mit der schönen Frau war relativ, aber für fünf Euro Trinkgeld sagte der das bestimmt zu jeder.
    Der Taxifahrer half mir, Rainer aus dem Auto zu ziehen.
    »Und, wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf: Gute Entscheidung!«

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