Verwechseljahre: Roman (German Edition)
Mädels, höchste Zeit, dass ich euch zeige, was ich gegen das Altern und Einsamwerden tue!« Sonja machte einen Handstand und blieb eine geschlagene Minute in dieser Position. »So trocknet man auf jeden Fall nicht aus«, sagte sie lachend. »Da fließen die Säfte dahin, wo sie hinsollen!«
Es war aber auch eine blöde Idee von mir, ausgerechnet jetzt mit meiner Geschichte auftrumpfen zu wollen. Jetzt war Sonjas Show-Time. »Mensch!«, sagte ich bewundernd. »Das ist wirklich einsame Spitze!« Unglaublich, diese Körperbeherrschung. Ja, ich war neidisch. Ich konnte noch nicht mal einen einzigen Liegestütz, aber war das wichtig?
»Komm da runter!«, sagte Billi unbeeindruckt. »Wir wissen, wie toll du bist. Vielleicht gelingt es dir ausnahmsweise, auch mal anderen zuzuhören.«
»Ich HÖR euch doch zu!«, behauptete Sonja kopfüber. »Ihr strickt Babyjäckchen und staubt Bücher ab. Jedem das Seine!«
»Großmuttersein ist das Schönste, was es gibt«, bemerkte Billi spitz. »Besonders, wenn man Enkel von Kindern hat, die man LIEBT .«
»Billi, BITTE! «
» ICH bin jedenfalls nicht eifersüchtig auf meine eigene Tochter.«
»Ich BIN nicht eifersüchtig auf Vivian! So ein QUATSCH! «, ereiferte sich Sonja. »Vivian ist Vivian, und ich bin ich. Schaut mal. Ich kann mit jeder Arschbacke einzeln wackeln!«
Billi und ich wechselten gerade einen vielsagenden Blick, als die Tür aufflog und Vivian und Manni hereinkamen. Sie hatten Hanteln und allerlei buntes Gerät dabei und bewegten sich gemeinsam zur Musik aus Vivians Ohrstöpseln. Jeder von ihnen hatte einen davon im Ohr.
Draußen warteten die Teilnehmer bereits auf den nächsten Kurs. Ich zuckte zusammen. War das da draußen nicht Rainer? Suchte er mich etwa? Oder litt ich schon an Verfolgungswahn? Wollte er womöglich an einem Kurs teilnehmen? Um etwas für seine Fitness zu tun? Oder um noch mehr in meiner Nähe zu sein? Vielleicht war es ja auch ein anderer mit einem ähnlich klein karierten Hemd.
Manni trat die Tür mit seinem muskulösen, behaarten Bein wieder zu. Er hatte ein Tattoo am Knöchel.
»Voll abgefahren und krass!«, schrie Vivian begeistert gegen den Lärm an, den ich sogar ohne Ohrstöpsel hören konnte. »Das legen wir der DVD unter!«
Sonja beeilte sich, wieder auf die Beine zu kommen. Sie war ziemlich rot im Gesicht.
»Nach der Mucke rockt auch noch die Oma aus Witterschick ab«, schrie Manni. Er hatte Gel im Haar, eine freche Igelfrisur. Offensichtlich hatte er sich Vivians Modestil angepasst. »Oh. Hallo die Damen.« Er sah uns erschrocken an und nahm den Stöpsel aus dem Ohr. »Ich dachte, hier ist jetzt Pilates!«
»Jawohl!«, rief Vivian fröhlich und räumte ihre Hanteln in die Ecke. Während sie sich bückte, durften wir ihre Vorzüge im Spiegel bewundern. »Die Ladys hier halten nur mal wieder ihren privaten Schwatz.«
Mein Blick huschte zwischen Vivian und Sonja hin und her. Sonja zog den Bauch ein und setzte sich betont unauffällig in Pose, während Vivian fröhlich Kaugummi kaute: »Runter mit dem Hintern von unseren Bällen, Ladys, ihr leiert sie mir ja noch aus …«
»Solange unser Hintern noch nicht ausgeleiert ist …«, bemerkte Billi und erhob sich mühsam mitsamt Enkelkind und Strickzeug. »Sonja hat uns gerade erzählt, Sie machen mit ihr eine Fitness- DVD? « Billi sah Manni fragend an. »Das finden wir wirklich bemerkenswert.«
»Ähm, ich mache – was?« Manni sah erschrocken aus.
Vivian zuckte zusammen. Vor lauter Verlegenheit blies sie ihren Kaugummi zu einer großen Blase auf, die sie mit einem lauten Knall platzen ließ. Peng!
»Das ist ein Knaller, was?«, freute sich Sonja. »Da staunt ihr! Wir kommen noch ganz groß raus, der Manni und ich!«
In dieser Sekunde begriff ich, dass ich Sonja beistehen musste.
»Ja«, beeilte ich mich zu sagen. »Das ist der Lebenstraum unserer Freundin! Das bedeutet ihr sehr viel, wissen Sie!« Dabei sah ich Manni hypnotisierend an.
»Ähm, ich glaube, die Mama hat da was missverstanden«, begann Vivian, aber als ich ihr auf die Zehen stieg, machte sie den Mund schnell wieder zu.
»Diese Fitness- DVD wird mein Lebenswerk«, schwärmte Sonja und strahlte Manni an. »Da kann mein Exmann scheißen gehen. Mitsamt seiner langweiligen Büroschlampe.«
Manni errötete bis in die Haarwurzeln. »Ähm …«
»Aber …«, sagte Vivian.
»Also, ich glaube …«, sagte Manni.
» DIE werden Augen machen«, fuhr Sonja fort. »Ich gehöre noch lange nicht zum alten Eisen!«
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